Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles
Autoren: Robert Sheckley
Vom Netzwerk:
den greifbaren Dingen zu erfreuen.«
    »In dieser Hinsicht sind wir das genaue Gegenteil«, sagte Dramokles. »Ich habe meine Zeit damit verbracht, das Leben zu genießen. Und was habe ich heute vorzuweisen?«
    »Das gleiche wie ich. Dein Leben in diesem Augenblick.«
    »Wenn das stimmt«, sagte Dramokles, »dann ist das Leben aller Menschen gleich. Alle Menschen haben nur diesen Augenblick, wenn ich dich richtig verstanden habe.«
    »Ja, dieser Augenblick ist alles, was wir haben«, sagte Otho. »Ich war naiv, als ich glaubte, mein Leben ausdehnen zu können, indem ich die Anzahl der mir zur Verfügung stehenden Augenblicke ausdehnte. Das Leben läßt sich nicht in Jahren oder Jahrzehnten messen. Das Herz rechnet anders. Für das Herz zählt nur die Intensität der Augenblicke.«
    Chemise nickte, aber Dramokles sagte: »Ich glaube, das verstehe ich nicht ganz.«
    »Die niedrigste Intensität besteht dann, wenn ein Mensch schläft oder bewußtlos ist. Wenn ein schlafender Mann ewig eben könnte, würden wir ihn nicht als unsterblich im eigentlichen Sinne betrachten. Für die Zukunft zu planen und dabei die Gegenwart auszuklammern, ist eine Art Traumzustand.«
    »Das ist alles zu abstrakt für mich«, sagte Dramokles. »Trotz allem wirkst du nicht enttäuscht, und das freut mich. Du wirkst sogar glücklich. Früher habe ich dich nie glücklich erlebt.«
    Otho ging zur Balustrade und schaute auf die Stadt hinunter. »Ich habe geglaubt, das Ziel der der Magie sei Wissen. Doch nun begreife ich, daß Verstehen das Ziel ist.«
    »Bedeutet das nicht ein und dasselbe?«
    »Keineswegs. Mit Wissen kann man etwas tun. Man kann es in Macht umsetzen. Verstehen dagegen ist eine Art von Machtlosigkeit. Verstehen ist größer als man selbst, man kann es nicht manipulieren, nur akzeptieren.«
    »Nun, Vater«, sagte Dramokles, »das sind allerdings sehr philosophische Betrachtungen, die ein bißchen zu hoch für mich sind. Du siehst entspannt und zufrieden aus, und es macht mich sehr froh, das zu sehen. Ich verstehe, daß deine Zukunft im Licht der jüngsten Entwicklungen nicht mehr ganz so rosig ist, trotzdem muß ich dich nach deinen weiteren Plänen fragen.«
    »Nun, darüber habe ich mr bereits Gedanken gemacht.« Otho paffte an seiner Zigarre. »Ich mag Glorm, aber ich werde nicht hierbleiben. Das hätte für mich jetzt keinen Reiz mehr. Die Erde ist der richtige Ort für mich. Ich beherrsche sie zu einem großen Teil, aber deshalb kehre ich nicht dorthin zurück. Ich werde meine politische Macht wahrscheinlich in andere Hände legen und mich aufs Altenteil zurückziehen. Ich besitze bereits ein Ferienhaus auf Capri, eine Cabana in Ipanema, ein Hausboot in Kaschmir, eine Finca auf Ibiza, ein Stadthaus in Paris und ein Penthouse in New York. Ich werde also beschäftigt sein. Die Erde ist ein interessanter Ort. Möchtest du nicht mit mir kommen?«
    »Ich?« sagte Dramokles. »Auf die Erde?«
    »Es würde dir dort gefallen«, sagte Otho. »Ein cleverer junger Bursche wie du hätte dort viele interessante Möglichkeiten. Du hast abgedankt, nehme ich an?«
    »Ja«, sagte Dramokles. »Ich hielt es für erforderlich. Sonst hätte John womöglich Glorm bombardiert.«
    »Weißt du, was John mit dir vorhat?«
    »Noch nicht. Er und Anne sind sich noch nicht schlüssig.«
    »Es könnte unangenehm für dich werden.«
    »Ich glaube nicht, daß John mich hinrichten lassen wird«, sagte Dramokles. »Im Grunde beneidet er mich mehr, als daß er mich haßt.«
    »Aber er könnte dich demütigen. Er war schon als kleiner Junge sehr boshaft.«
    »Damit werde ich schon fertig.«
    »Ja, aber warum solltest du? Komm mit mir auf die Erde. Ich werde dir eine neue Welt zeigen.«
    Dramokles zögerte, wußte nicht, wie er es ihm beibringen sollte. Er war interessiert an neuen Welten und Abenteuern. Aber nicht in Begleitung seines Vaters. Nicht, daß er nun noch etwas gegen ihn gehabt hätte. Er empfand sogar Sympathie für den alten König. Aber er wollte kein Leben leben, bei dem ihm sein Vater ständig über die Schulter schaute und ihm sagte, was er alles besser machen könnte.
    »Es ist eine große Versuchung«, sagte er, »und ich bin sehr dankbar für dein Angebot. Aber ich bin noch immer König hier, und ich will dieses Amt persönlich in andere Hände legen.« Otho nickte. »Chemise, was ist mit dir? Auf der Erde könnte ich dir jeden Wunsch erfüllen. Ich wäre dankbar für deine Gesellschaft. Willst du mit mir zurückkehren?«
    »Danke, daß Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher