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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles
Autoren: Robert Sheckley
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Chuch hat sich unserer Flotte nicht angeschlossen. Statt dessen stahl er sich mit Doris in seinem eigenem Raumschiff davon. Niemand weiß, wohin.«
    »Warum können die Leute nicht tun, was von ihnen erwartet wird?« fragte John. »Chuch scheidet also aus. Du bist sicher, daß ich Glorm nicht selbst regieren könnte?«
    »Ganz sicher«, sagte Anne frostig.
    »Schon gut, war ja nur eine Frage. Was ist mit einem von Dramokles’ anderen Söhnen?«
    »Alle zu jung«, sagte Anne.
    »Und wenn wir seine Frau Lyrae zur Regentin erklären? Sie scheint mir eine vernünftige Frau zu sein.«
    »Ich kenne Lyrae seit Jahren«, sagte Anne. »Sie ist eine nette Person, wenn auch ein wenig wirrköpfig und romantisch. Aber die Glormer würden sie niemals als Herrscherin akzeptieren, denn sie stammt aus altem aardvarkianischen Adel und ist deshalb eine Außenseiterin. Außerdem steht sie nicht zur Verfügung.«
    »Wieso das?«
    »Sie ist geflohen, mein Schatz.«
    »Kannst du dich nicht etwas deutlicher ausdrücken?« sagte John verdrießlich. »Was willst du damit sagen?«
    »Du solltest dich wirklich mehr um die Dinge kümmern, die um dich herum vorgehen. Ich weiß es von meinem Friseur. Lyrae hat Dramokles verlassen. Ist das deutlich genug?«
    »Ich dachte, die beiden hätten sich so gut verstanden?«
    »Nur der äußere Schein, mein Schatz. Lyrae wußte schon seit einiger Zeit, daß Dramokles ihrer überdrüssig war und sich bald von ihr scheiden lassen wollte.«
    »Wie ist sie dahintergekommen?«
    Anne lächelte verächtlich. »Dramokles ist ein schlechter Lügner. Jede Frau kann in ihm lesen wie in einem Buch. Lyrae wußte, daß sie abgelöst werden sollte. Und als sie nun neulich auf der Friedenskonferenz einer ihr sehr sympathischen Person begegnete.«
    »Wem?« wollte John wissen.
    Anne schüttelte den Kopf. Ihre Augen funkelten. »Du wärst überrascht, wer der Glückliche ist. Denke darüber nach. Vielleicht kommst du selbst darauf. Doch jetzt gibt es Wichtigeres zu tun. Zuallererst ist da einmal Haldemar.«
    »Ja«, sagte John, »mit den Vanir könnte es Probleme geben. Wie denkt Dramokles darüber, daß seine Frau ihm weggelaufen ist?«
    »Soviel ich weiß, ahnte er noch gar nichts. Doch jetzt an die Arbeit.«

45
    Die oberen Stockwerke von Schloß Ultragnolle waren ein Fantasiereich aus Türmen, Spitzdächern, Giebeln, Terrassen, Erkern, Zinnen und dergleichen mehr. Hier und da gab es flache Dächer, von denen man viele in Gärten verwandelt hatte, komplett mit Lauben, Blumen, Wasserfällen, Springbrunnen, Statuen, Bäumen, Bänken, Hügeln und Tälern.
    Otho war auf den Dachgarten über dem Kriegszimmer gegangen. Er saß in einem weißen Korbsessel und rauchte eine aus Rapunzelblättern gedrehte Zigarre, mild und ein wenig narkotisch. Auf einem kleinen Tisch stand eine Flasche Landwein, gekeltert aus den rotbraunen Trauben des oberen Uringaa-Tales auf Aardvark. Für einen Menschen, der gerade alles verloren hatte, wirkte er seltsam ruhig und im Frieden mit sich. Er genoß den herrlichen Blick über die Stadt. Ein Schwarm rotgefiederter Sykophanten flatterte über ihn hinweg. Otho war zufrieden.
    Dramokles kam in Begleitung Chemises auf den Dachgarten. Otho schaute sie an, nickte ihnen freundlich zu und ließ seinen Blick wieder über die Landschaft schweifen.
    »Nun, Dad«, sagte Dramokles, »es tut mir leid, daß die Sache so für dich ausgegangen ist. Ich weiß, wie viele Jahre Arbeit du in diese Unsterblichkeits-Geschichte investiert hast.«
    Otho lächelte, sagte aber nichts.
    »Ich konnte dabei einfach nicht mitmachen«, sagte Dramokles.
    »Als du dich John ergabst«, sagte Otho, »war ich einen Augenblick außer mir vor Zorn. Ich war nahe daran, dich zu töten. Das hätte ich ohne Schwierigkeiten tun können. Es hat mich eine Menge Kraft gekostet, mich zurückzuhalten. Aber als dieser Augenblick vorbei war, fühlte ich mich auf eigenartige Weise ruhig und erleichtert. Es war ein seltsames Gefühl. Ich brauchte Zeit, um darüber nachzudenken.«
    »Deshalb gingst du hier herauf?«
    »Ich saß hier und dachte nach. Es fiel mir schwer, denn ich bemerkte so viele Dinge.«
    »Was bemerkten Sie?« fragte Chemise.
    »Den Wind auf meinem Gesicht. Das Aroma einer guten Zigarre. Ich wurde mir tausend kleiner Dinge bewußt, und das war eine große Befriedigung für mich. Mir wurde klar, daß ich den größten Teil meines Lebens mit der Suche nach der Unsterblichkeit verbracht und nur wenig Zeit darauf verwandt hatte, mich an
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