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Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Titel: Drahtzieher - Knobels siebter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Alkoholfahrt kein selbst verschuldetes Unglück war. Ich für mich kann akzeptieren, dass es ein Unfall war, auch wenn die Umstände ihres Todes merkwürdig erscheinen. Es war der Wunsch meiner Frau, die von der Staatsanwaltschaft eingestellten Ermittlungen quasi auf privater Ebene wieder aufzunehmen und die Hintergründe neu zu durchleuchten. Ich muss gestehen, dass ich dies zunächst nicht wollte, weil ich mir sicher bin, dass wir zu keinen anderen Ergebnissen kommen. Doch heute begrüße ich, dass wir so verfahren, und ich unterstütze meine Frau und somit auch Sie, Frau Schwarz und Herr Knobel, ausdrücklich, damit wir endlich wissen, woran wir sind. Denn Liekes Tod wird auch zwischen meiner Frau und mir immer ein Thema bleiben, solange wir keine Klarheit haben. Ihre Arbeit ist deshalb auch für uns, also für Anne und mich, und somit in gewisser Weise für das Glück unserer Ehe von Bedeutung.«
    Hermann van Eyck unterbrach sich und sah abwechselnd Marie und Stephan mit feierlichem Ernst an. Stephan bemerkte, dass er wie seine Frau differenziert und wie sie sein Anliegen ähnlich nüchtern formulierte. Dies schien Ausdruck jener Professionalität zu sein, mit der beide ihrem Beruf nachgingen. Die Unternehmensberatung van Eyck konnte mit besten Referenzen aufwarten. Stephan und Marie hatten das geschäftliche Profil auf der Homepage der van Eyck Consulting studiert. Die Seite war übersichtlich strukturiert und informativ gestaltet. Gelungene Porträtfotos der Eheleute van Eyck rundeten die Seite ab.
    »Wenn Sie dazu neigen, sich mit den amtlichen Ermittlungen zufriedenzugeben, müssen Sie den Umstand, dass Ihre Schwägerin alkoholisiert und mit stark überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist, nicht für so bemerkenswert und außergewöhnlich halten, als dass Sie dies von sich aus zum Anlass nehmen würden, die offizielle Version von Liekes Tod zu hinterfragen«, wandte sich Marie an Hermann van Eyck. »Kamen solche Fahrten also doch häufiger vor?«
    »Nein!«, antwortete Anne van Eyck bestimmt.
    »Wir wissen es nicht«, korrigierte ihr Mann vorsichtig. »Bemerkt haben wir dies nie, und natürlich halte ich Liekes Trunkenheitsfahrt nicht für normal, Frau Schwarz. Aber ich neige im Gegensatz zu meiner Frau eher dazu, dass die verhängnisvollen Umstände durchaus auf Liekes eigenes Verhalten zurückzuführen sein könnten. Anne hat Ihnen bereits erzählt, dass Lieke praktisch kein Privatleben hatte. Sie war beruflich extrem eingespannt, stand ihrem Arbeitgeber stets zur Verfügung, machte Überstunden, wann immer sie darum gebeten wurde, arbeitete notfalls auch am Wochenende, organisierte und managte das ganze Büro – und dies stets mit höchster Zuverlässigkeit. Sie hat ohne Zweifel bei ThyssenKrupp gut verdient, aber sie musste auch Außergewöhnliches leisten. Lieke war, was man landläufig eine Topsekretärin nennt. Nicht selten bekleiden solche Positionen Frauen, die ihr ganzes Leben mehr oder weniger dem Unternehmen widmen, dem sie dienen. Und zwangsläufig sind diese Frauen häufig allein. Sie schaffen es nicht zu einer eigenen Familie, weil der Beruf, der bedingungslose Wille, im Job stets optimale Leistungen zu bringen, diese Frauen an ihre Grenze führt. Sie kommen ausgelaugt nach Hause. So war es auch bei Lieke. Wie oft haben wir sie hier erschöpft empfangen, wenn sie abgearbeitet nach Hause kam. Das Eigenartige ist, dass den Frauen diese Selbstaufgabe häufig nicht einmal abverlangt wird. Sie entwickeln aus sich heraus ein berufliches Selbstverständnis, das sie das natürliche Streben nach privatem Glück mehr und mehr in den Hintergrund drängen und schließlich fast vergessen lässt. Aber hin und wieder melden sich dann doch die Bedürfnisse des eigenen Lebens. Dann werden Schnellkurse für Entspannungsübungen besucht, Ernährungsberater aufgesucht und schließlich hastig Partnerschaftsanzeigen geschaltet. Das Leben, das irgendwie durch die Finger rinnt, will eingefangen und festgehalten, intensiv genossen, also endlich gelebt werden. Aber all diese Schnellschüsse verpuffen wieder. Das ungesunde Leben wird fortgesetzt, und das unerfüllte Leben bleibt unerfüllt. Es geht wieder an die Arbeit, die das Leben in Anspruch nimmt, und die gähnenden Abgründe der ungestillten Sehnsüchte mit Terminen, Diktaten, Akten und Besprechungen zugeschüttet. Jeder Tag, jede Stunde ist verplant, aber irgendwann und immer wieder bricht sie durch, die bohrende Einsamkeit. Die Partnersuche bleibt erfolglos,
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