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Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Titel: Drahtzieher - Knobels siebter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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denn auf die Anzeigen melden sich nur Männer, die nicht gewollt und insbesondere nicht so perfekt sind. Und eigentlich ist gar keine Zeit für ein Leben zu zweit. Doch die Einsamkeit bringt sich unerbittlich in Erinnerung und bohrt gnadenlos in das alternde Herz. Immer dann, wenn es anderen gut geht, wenn die anderen lachend ihr Leben leben, feiern, spielen, sich lustvoll treiben lassen, dann geht es diesen Frauen schlecht. Wenn die anderen Weihnachten feiern, sitzen diese Frauen still daheim. Wenn die anderen mit ihren Familien am Badesee ein Picknick machen, putzen diese Frauen ihre Wohnung und so fort. – Verstehen Sie, was ich meine? Das Leben verläuft bei diesen Menschen genau umgekehrt. Wenn andere ins Licht treten und sich freuen, huschen sie in den Schatten.«
    »Du bist ungerecht, Hermann!«, warf seine Frau ein. »Du kannst doch gar nicht beurteilen, wie es im Inneren dieser Frauen, wie du sie nennst, aussieht. Mal abgesehen davon, dass es sich nicht nur um ein Problem allein lebender Frauen handeln wird.«
    »Es sind in der Mehrzahl Frauen«, beharrte Hermann, »es sind diese sogenannten guten Seelen, die in den unterschiedlichsten Berufen dienen. Und eben auch viele Topsekretärinnen wie Lieke.«
    Hermann van Eyck nahm die Hand seiner neben ihm sitzenden Frau und streichelte sie. »Du weißt, dass ich damit nichts gegen deine Schwester sage. Ich habe sie sehr gemocht.«
    »War Lieke wirklich so einsam?«, fragte Stephan.
    »Wir haben sie überreden können, hier einzuziehen«, antwortete Hermann van Eyck. »So hatte sie nicht nur ein Domizil inmitten der Natur, sondern auch eine Familie. Früher wohnte sie in einer recht luxuriösen Wohnung in Essen-Rüttenscheid. Aber alles Ambiente hilft nicht, wenn die Familie fehlt.«
    Er blinzelte zu seiner Frau, doch Anne van Eyck erwiderte nichts.
    »Was ich sagen will«, fuhr ihr Mann fort: »Lieke stand häufig unter extremem beruflichen Stress. Es kam durchaus vor, dass sie, wenn sie hier abends ankam, hastig ein oder zwei Glas Wein trank, um runterzukommen. Also ist es auch vorstellbar, dass sie einmal vor einer Autofahrt etwas getrunken hat. Es ist nicht so ausgeschlossen, wie du es gern annehmen möchtest, Anne!«
    Seine Frau zuckte mit den Schultern. Es schien ihr müßig, ihren Standpunkt zu wiederholen.
    »Wissen Sie Details von Liekes Arbeit bei ThyssenKrupp«, wollte Stephan wissen.
    »Nein«, antwortete Anne van Eyck. »Sie erzählte so gut wie nichts, nicht nur, weil sie zur Verschwiegenheit verpflichtet war, sondern auch, weil es Dinge waren, die uns mutmaßlich nicht interessiert hätten. Lieke war absolut loyal und vertrauenswürdig. Es gab nichts, was sie ausplauderte.«
    »Aber es gab dort offensichtlich auch kein Geheimnis, dessen Kenntnis ihr Schicksal besiegelt hätte«, ergänzte ihr Mann. »ThyssenKrupp hat bereitwillig gegenüber der Staatsanwaltschaft über Lieke und ihre Arbeit Auskunft gegeben. Dunkle Flecken gab es da nicht.«
    Wie oft waren Anne und Hermann van Eyck in ihren Gesprächen schon an dieser Stelle angelangt? Sie hatten vor Marie und Stephan ihre Argumente wiederholt, die sie seit Liekes Tod immer wieder ausgetauscht und gegeneinander abgewogen hatten. Es war an der Zeit, den Fall Lieke in andere Hände zu geben. Marie und Stephan hatten ihren Auftrag verstanden.
    »Wir laden Sie ein, mit uns gemeinsam zu Abend zu essen«, sagte Anne van Eyck. »Wir haben Salate, Käse und Brote vorbereitet. Es wäre uns eine große Freude, wenn Sie unsere Gäste sind.«
    Marie und Stephan wechselten die Blicke. Sie waren auf diese Einladung nicht vorbereitet gewesen und hätten nicht daran gedacht, mit den van Eycks den Abend zu verbringen, doch es fiel ihnen spontan auch kein Grund ein, warum sie sich entziehen sollten.
    »Anne wird das Essen herrichten, und ich zeige Ihnen, wenn es Ihnen recht ist, Liekes Wohnung«, schlug Hermann van Eyck vor, der die Unschlüssigkeit seiner Gäste mit einem liebenswürdigen Lächeln zu quittieren und die unausgesprochenen Vorbehalte zu beseitigen verstand. Er erhob sich und bat sie, ihm zu folgen, während seine Frau durch eine Hintertür in der Wohnung verschwand.
    Die Sonne war inzwischen hinter den Wipfeln des nahen Waldes versunken. Es wurde schlagartig kühler. Die Hitze der vergangenen Tage hatte den Boden noch nicht richtig aufgeheizt, sodass er nur wenig Wärme gespeichert hatte und schneller erkaltete.
    »Meine Frau wird Ihnen Strickjacken rausbringen«, sagte Hermann van Eyck, während er
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