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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht
Autoren: Tom Clancy
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Prolog:
Der zerbrochene Pfeil
    »Wie der Wolf im Pferch.« Diese Zeile von Lord Byron zitierten automatisch die meisten Kommentatoren, wenn sie den syrischen Angriff auf die von Israel besetzten Golanhöhen am Samstag, den 6. Oktober 1973 um 14 Uhr Ortszeit schilderten. Wahrscheinlich hatten die literarisch gebildeten unter den syrischen Offizieren genau das im Sinn, als sie letzte Hand an ihre Pläne für eine Operation legten, die den Israelis mehr Panzer und Artillerie entgegenschleudern sollte, als sich Hitlers Panzergeneräle jemals träumen ließen.
    Die Schafe jedoch, die die syrische Armee an diesem grausigen Tag im Oktober vorfand, glichen eher angriffslustigen Widdern als den sanftmütigen Tieren der Pastorale. Obwohl im Verhältnis eins zu neun unterlegen, waren die beiden israelischen Brigaden auf dem Golan Elite-Einheiten. Den Norden der Höhen hielt die 7. Brigade, deren Linien, eine raffinierte, in Starrheit und Flexibilität fein ausgewogene Verteidigungsanlage, kaum nachgaben. Einzelne starke Stellungen wurden hartnäckig gehalten und lenkten die syrischen Vorstöße in felsige Hohlwege, wo sie von Panzerreserven, die hinter der Demarkationslinie lauerten, abgeschnitten und zerschlagen werden konnten. Als am zweiten Tag Verstärkung nachrückte, war die Lage noch unter Kontrolle – wenn auch nur knapp. Am Ende des vierten Tages lag die syrische Panzerarmee, die über die 7. Brigade hergefallen war, in rauchenden Trümmern.
    Die Barak-(»Blitz«-)Brigade hielt den südlichen Abschnitt der Höhen und hatte weniger Glück. Hier begünstigte das Terrain die Verteidiger nicht so sehr, und hier schienen die syrischen Verbände auch fähiger geführt worden zu sein. Binnen Stunden war die Barak-Brigade in mehrere Teile zersprengt worden. Zwar sollte sich später erweisen, daß jedes Bruchstück gefährlicher als ein Vipernnest war, doch für den Moment nutzten die syrischen Panzerspitzen die Lücken rasch aus und jagten auf ihr strategisches Ziel, den See Genezareth, zu. Was im Lauf der nächsten 36 Stunden passierte, sollte das israelische Militär auf die schwerste Probe seit 1948 stellen.
    Am zweiten Tag traf Verstärkung ein. Sie mußte praktisch Mann für Mann aufs Gefechtsfeld verteilt werden, um Lücken zu schließen oder versprengte Einheiten zu sammeln, die unter der Gefechtsbelastung auseinandergebrochen und, was es noch nie zuvor in der Geschichte des Staates Israel gegeben hatte, vor den angreifenden Arabern geflohen waren. Erst am dritten Tag gelang es den Israelis, ihre Panzerkräfte zu konzentrieren und die drei syrischen Stoßkeile zu umzingeln und dann zu zerschlagen. Die Syrer wurden von einem wütenden Gegenangriff auf ihre eigene Hauptstadt zurückgeworfen und hinterließen ein entsetzliches Schlachtfeld, übersät mit Leichen und ausgebrannten Panzern. Am Ende dieses Tages empfingen die Soldaten der Barak und der 7. Brigade einen Funkspruch des israelischen Oberkommandos:
    IHR HABT DAS VOLK ISRAEL GERETTET.
    Was keine Übertreibung war. Dennoch erinnerte man sich außerhalb Israels, von Militärakademien einmal abgesehen, seltsamerweise kaum an die heroische Schlacht. Wie beim Sechs-Tage-Krieg erregte der Bewegungskrieg im Sinai die Bewunderung der Welt: die Überquerung des Suezkanals, die Schlacht um die »chinesische« Farm, die Einkesselung der ägyptischen 3. Armee – und dies, obwohl die Kämpfe auf den Golan-Höhen weitaus furchterregender waren und zudem noch näher der Heimat stattfanden. Die Überlebenden dieser beiden Brigaden wußten, was sie geleistet hatten, und ihre Offiziere konnten sicher sein, daß diese Schlacht bei Berufssoldaten, die verstanden, welches Können und welchen Mut eine solche Abwehr erforderte, zusammen mit den Thermopylen, Bastogne und Gloucester Hill in Erinnerung bleiben würde.
    Jeder Krieg hat seine ironischen Aspekte, und der Jom-Kippur-Krieg stellte da keine Ausnahme dar. Wie die meisten ruhmreichen Abwehrschlachten war auch diese Aktion im Grunde überflüssig. Die Israelis hatten Nachrichtendienstmeldungen falsch interpretiert, die, hätte man nur zwölf Stunden früher darauf reagiert, sie in die Lage versetzt hätten, existierende Pläne umzusetzen und vor Beginn der Offensive die Truppen auf den Golanhöhen zu verstärken. Zu dem heroischen Abwehrkampf hätte es gar nicht zu kommen brauchen. Unnötig die Verluste, die so hoch waren, daß man sie erst nach Wochen einer stolzen, aber schwergetroffenen Nation bekanntgab. Hätte man den
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