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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht
Autoren: Tom Clancy
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einem Land, für das seine Gegner die physische Vernichtung zum Kriegsziel erklärt haben, kann keine Verteidigttngsmaßnahme als zu extrem gelten. Schon 1968 hatten die Israelis die nukleare Option in ihren Kriegsplan aufgenommen. Am 7. Oktober ging um 3.55 Uhr Ortszeit und gerade 14 Stunden nach Beginn der Kampfhandlungen der Befehl für die OPERATION JOSUA per Telex an den Fliegerhorst bei Beer Scheba.
    Israel verfügte damals nur über wenige Kernwaffen – und streitet bis heute ihren Besitz ab. Eine große Anzahl wäre auch im Notfall nicht gebraucht worden. In einem der zahllosen unterirdischen Bombenbunker bei Beerscheba lagen 12 recht gewöhnlich aussehende Objekte, die sich von anderen, zur Montierung unter Tragflächen taktischer Kampfflugzeuge gedachten Waffen lediglich durch rot und silbern gestreifte Markierungen an den Seiten unterschieden. Sie hatten keine Leitflossen, und an der stromlinienförmigen Verkleidung aus poliertem Aluminium mit kaum sichtbaren Nähten und einigen Ösen sah nichts ungewöhnlich aus. Das hatte seinen Grund. Ein flüchtiger Beobachter konnte sie leicht für Treibstofftanks oder Napalmbomben halten, Objekte also, die kaum einen zweiten Blick wert waren. In Wirklichkeit aber handelte es sich um zwei Plutoniumbomben mit einer nominalen Sprengkraft von 60 Kilotonnen: genug, um das Herz einer Großstadt zu vernichten, Tausende von Soldaten im Feld zu töten oder – mit Hilfe von separat gelagerten, aber leicht an der Verkleidung zu befestigenden Ummantelungen aus Kobalt – eine ganze Landschaft auf Jahre hinaus zu vergiften.
    An diesem Morgen herrschte in Beer Scheba hektischer Betrieb. Nach dem Feiertag Jom Kippur, den die Menschen des kleinen Landes mit Gottesdiensten und Familienbesuchen begangen hatten, strömten noch immer Reservisten auf den Stützpunkt. Die Männer, die die heikle Aufgabe ausführen mußten, Flugzeuge mit ihren tödlichen Bordwaffen zu bestücken, hatten schon viel zu lange Dienst getan. Ihre Konzentration ließ nach. Selbst die Neuankömmlinge litten unter Schlafmangel. Ein Waffentrupp, den man aus Sicherheitsgründen über den Auftrag im unklaren gelassen hatte, versah unter den Augen zweier Offiziere einen Schwarm A-4 Skyhawks mit Kernwaffen. Die Bomben wurden auf Wagen unter die mittleren Aufhängevorrichtungen der vier Flugzeuge gerollt, vorsichtig mit einem Kran angehoben und dann eingehängt. Weniger erschöpften Mitgliedern des Bodenpersonals hätte auffallen können, daß die Entsicherungsvorrichtungen und Leitflossen noch nicht an den Bomben befestigt worden waren. Wer dies wahrnahm, mußte zweifellos zu dem Schluß kommen, daß der für diese Aufgabe zuständige Offizier zu spät dran war – wie fast jeder an diesem kalten und verhängnisvollen Morgen. Die Nasen der Waffen waren mit Elektronik vollgepackt. Der eigentliche Zündmechanismus und die Kapsel mit dem spaltbaren Material, zusammen als »Physikpaket« bekannt, befanden sich natürlich schon in den Bomben. Im Gegensatz zu amerikanischen Kernwaffen waren die israelischen nicht für den Lufttransport in Friedenszeiten bestimmt. Deshalb fehlten ihnen die umfangreichen Sicherungen, die die Firma Pantex bei Amarillo in Texas in US-Kernwaffen einbaute. Das Entsicherungssystem bestand aus zwei Komponenten; eines wurde an der Spitze befestigt, das andere war in die Leitflossen integriert. Im großen und ganzen waren die Bomben für amerikanische oder sowjetische Maßstäbe sehr primitiv – so primitiv wie eine Pistole im Vergleich zu einem Maschinengewehr, aber wie jene auf kurze Entfernung ebenso tödlich.
    Nachdem die Entsicherungsvorrichtungen angebracht und aktiviert worden waren, mußten nur noch eine Entsicherungstafel im Cockpit des Kampfflugzeugs installiert und eine Kabelverbindung zwischen Maschine und Bombe hergestellt werden. An diesem Punkt wurde die Waffe »zur Kontrolle vor Ort freigegeben«, das heißt, den Händen junger, aggressiver Piloten anvertraut. Deren Aufgabe war es, sie in einem »Idioten-Looping« genannten Manöver auf einer ballistischen Bahn ins Ziel zu bringen und sich möglichst unbeschadet zu entfernen, bevor sie detonierte.
    Der ranghöchste Waffenoffizier auf dem Stützpunkt hatte die Option, gemäß den Umständen und mit Genehmigung der beiden überwachenden Offiziere die Entsicherungskomponenten anbringen zu lassen. Zum Glück war dieser Offizier von der Vorstellung, halbscharfe Atombomben auf einem Flughafen herumliegen zu haben, der jeden Augenblick
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