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Das Echo aller Furcht

Das Echo aller Furcht

Titel: Das Echo aller Furcht
Autoren: Tom Clancy
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Leben erhalten, das bereits erloschen war. Endlich blieb es stehen. Der saudische Hauptmann wischte das Schwert mit einem Ballen Seide sauber, steckte es in die Scheide und schritt durch die Menge, die ihm respektvoll Platz machte.
    Das Volk jubelte nicht, sondern war ganz still, tat vielleicht nur einen kollektiven Atemzug. Wessen Seele die gemurmelten Gebete der Frommen galten, wußten nur sie selbst und ihr Gott. Die ersten Reihen zerstreuten sich sofort. Wer weiter hinten gestanden und nichts gesehen hatte. trat an die Absperrung, hielt sich aber nicht auf, sondern ging bald seiner Wege. Nach der vorgeschriebenen Pause würde man die Leichen entfernen und nach den Riten der Religion, die Kati und Ghosn geschändet hatten, beerdigen.
    Jack wußte nicht, was er nun empfinden sollte. Er hatte genug Tote gesehen. Doch diese beiden Leichen hier rührten sein Herz überhaupt nicht – eine Tatsache, die ihn verwunderte und zugleich ein wenig besorgte.
    »Sie fragten nach dem Gang der Geschichte, Jack«, sagte Ali. »Sie haben gerade miterlebt, wie Geschichte gemacht wird.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Das brauchen wir Ihnen nicht zu sagen«, erklärte Golowko.
    Männer, die versuchten, einen Krieg anzuzetteln, wurden wie gewöhnliche Kriminelle auf dem Marktplatz hingerichtet, dachte Ryan. Ein Präzedenzfall, der nicht übel ist.
    »Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht werden es sich die nächsten Terroristen zweimal überlegen«, meinte Ryan und fügte in Gedanken hinzu: Es wäre an der Zeit.
    »In allen unseren Ländern«, sagte Ali, »ist das Schwert das Symbol der Gerechtigkeit... vielleicht ein Anachronismus. Es stammt aus einer Zeit, in der die Männer noch ritterlich handelten. Aber ein Schwert hat noch immer seinen Sinn und Zweck.«
    »Auf jeden Fall ist es präzise«, merkte Golowko an.
    »Und Sie, Jack, haben den Regierungsdienst nun verlassen?« fragte Ali einen Moment später. Ryan hatte sich wie alle anderen von der Szene abgewandt.
    »Ja, Hoheit.«
    »Gut, dann gelten diese dummen Vorschriften über Geschenke an Amtsinhaber für Sie nicht mehr.« Ali drehte sich um. Wie durch einen Zauber war der Offizier der saudischen Kommandos erschienen. Sein Salut vor dem Prinzen hätte Kipling bccindruckt. Nun kam das Schwert. Die Scheide bestand aus geschmiedetem Gold und war mit Juwelen besetzt. Der Griff war aus Elfenbein und von den starken Händen vieler Generationen abgenutzt. Eindeutig die Waffe eines Königs.
    »Das Stück ist 300 Jahre alt«, sagte Ali und drehte sich zu Ryan um. »Meine Vorfahren haben es in Krieg und Frieden getragen. Es hat sogar einen Namen – Abendbrise, besser kann ich es auf englisch nicht ausdrücken; in unserer Sprache bedeutet der Name natürlich noch mehr. Wir wollen es Ihnen zum Geschenk machen, Dr. Ryan, als Erinnerung an alle, die starben, und an jene, die durch Ihr Verdienst noch am Leben sind. Es hat viele Male getötet. Oft genug nun, findet Seine Majestät.«
    Ryan nahm das Krummschwert entgegen. Die Scheide trug die Spuren vieler Sandstürme und Schlachten, aber sein Spiegelbild im polierten Gold war nicht so verzerrt, wie er erwartet hatte. Er zog die Klinge ein Stück heraus und stellte fest, daß sie noch die Hammerspuren des damaszenischen Schmieds trug, der sie in ihre tödlich wirksame Form gebracht hatte. Was für ein Widerspruch, dachte Ryan und lächelte unwillkürlich. Welche Ironie. Wie kann ein so herrliches Stück einen so schrecklichen Zweck haben? Und doch –
    Er wollte das Schwert behalten, ihm einen Ehrenplatz geben, es von Zeit zu Zeit anschauen und sich erinnern, was es getan hatte, was er getan hatte. Und vielleicht –
    »Genug getötet?« Ryan ließ die Klinge zurück in die Scheide gleiten und die Waffe an seine Seite fallen. »Ja, Hoheit, das gilt für uns alle.«

Nachwort
    Nun, da die Geschichte erzählt ist, müssen einige Dinge klargestellt werden. Alles Material in diesem Roman über die Herstellung von Kernwaffen ist in einem Dutzend Büchern frei verfügbar. Aus für den Leser wohl naheliegenden Gründen habe ich gewisse technische Einzelheiten verändert und damit die Plausibilität im Interesse der Unklarheit geopfert. Dies geschah nur, um mein Gewissen zu erleichtern, und nicht in der Erwartung, daß es irgendeinen Unterschied macht.
    Nach wie vor stellt das Manhattan-Projekt des Zweiten Weltkriegs die größte und nie wieder erreichte Konzentration naturwissenschaftlicher Talente in der Geschichte der Menschheit dar. Dieses
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