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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
Autoren: Hans Kneifel
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Was würde der große, breitschultrige Schlafende tun, wenn er erwachte? Konnte er das Risiko eingehen, ihn am Leben zu lassen?
     
    Der rasende Schmerz im Nacken holte Partho ins Bewußtsein zurück. Er blieb reglos liegen. Jeder Herzschlag schien die Wunden neu aufbrechen zu lassen. Er öffnete die Augen spaltbreit. Er sah ein winziges Fenster, ein Loch in der Mauer, von der Feuchtigkeit tropfte. Zu den Schmerzen kam das Gefühl der Kälte. Partho fröstelte. Vor dem Mauerloch kauerte ein Mann. Von hier konnte Partho genau den Bart, ein ausgemergeltes Gesicht und einen einstmals glattrasierten Schädel mit einem zerzausten Haarbüschel in der Mitte erkennen. Partho wußte, daß er im Kerker der Stadt lag. Er spürte, daß durch eiserne Ringe an seinen Füßen eine Kette lief. Sie klirrte leicht, als Partho seinen Oberkörper aufrichtete.
    »Du bist wach, mein unbekannter Freund?« fragte der andere Mann.
    »Ja!« krächzte der Hauptmann.
    »Es scheint, als hätte ich in meiner überaus mißlichen Lage Gesellschaft bekommen«, fuhr der andere fort. »Soldat, du nennst nicht zufällig ein Stück fetten Braten dein eigen? Oder ein Brot?«
    Partho atmete tief ein und aus. Es stank erbärmlich. Unter sich spürte er fauliges Stroh.
    »Du hättest es gefunden, während ich besinnungslos war«, versetzte er. Ein pelziges Gefühl war auf den Lippen. Seine Zunge klebte am Gaumen. »Ich habe keinen Braten. Ich habe Hunger. Und Durst.«
    Der andere kicherte hohl und meinte: »Hunger ist seit geraumer Zeit mein einziger Freund. Welchen Tag haben wir heute, Soldat?«
    »Wie lange war ich bewußtlos?« fragte Partho.
    »Seit gestern nacht. Keine zehn Stunden.«
    »Dann«, sagte Partho leise, »ist heute der zweite Tag des Mondes des Wildebers im Jahr des Drachen.«
    Der andere bemerkte voller Bitterkeit: »Danke. Dann bin ich zweieinhalb Monde hier. All mein Fett ist von mir abgefallen. Ich bin Nabib, ein Händler aus Sodok, genannt auch Nabib von Thinayda.«
    Partho räusperte sich und spuckte gegen die Wand. »Ich kenne deinen Namen. Ich bin Partho, Hauptmann der Palastwache. Der König ist gestorben.«
    Nabib murmelte einen Fluch. Dann sagte er beschwörend: »Höre! Ich bin vierzig Sommer alt. Ich habe versucht, mir durch Handel ein kleines Vermögen zu verdienen. Und fast alles, was ich besitze, ist jetzt im Sack dieses Schuftes Obad.«
    »Immer wieder Obad!« sagte Partho. »Er verdient ein böses Ende. Ich werde mithelfen, ihm ein solches Ende zu bereiten!«
    »Zweifellos findet er ein Ende, aber dank der ausgeplünderten Opfer wird sein Leben bis zu diesem Ende recht behaglich verlaufen. Zehn Pferde, einige starke Sklaven, zwanzig starke und willige Esel, zwei Karren und viele teure Lasten. Das hat er mir geraubt!« Nabib richtete sich auf. Er war wirklich erschreckend abgemagert. »Es ist eine lange, leidvolle Geschichte. Stört es dich, wenn ich sie erzähle?«
    »Nein«, sagte Partho. Er stand auf und versuchte, den Schmerz zu ignorieren. Er prüfte die Stärke der Kette.
    »Bis am Mittag der übelriechende, vertrottelte Wächter fauliges Wasser, hartes Brot und Knochen bringt, stört uns niemand. Das weiß ich. Ist der Palast gestürmt worden?«
    »Ja«, flüsterte Partho und dachte plötzlich wieder an Amee, an Ada und Agrion. Was war mit ihnen geschehen? Er ballte bei diesen Gedanken die Fäuste, denn er hatte versagt. »Ja. Der Palast ist geplündert, Prinzessin Ada ist in der Gewalt dieses Oberpriesters. Wie es Amee und Agrion ergangen ist, weiß ich nicht.«
    »Tröste dich!« sagte Nabib halblaut. »Du magst ein Narr sein, aber ein größerer Narr sitzt dir gegenüber. Höre, wie ich hierhergekommen bin. Ich kenne viele Städte und viele Kerker, aber bisher bin ich durch List und Bestechung noch aus jedem Gefängnis entkommen, glaube mir!«
    »Ich glaube dir ja!« erklärte Partho und spannte seine Schultermuskeln. »Aber du sprichst Sätze, die länger sind als der Lauf des Raxos.«
    Nabib kicherte und entgegnete mit einem Rest einstiger Würde: »Lange und breite Flüsse sind die Freude der Landschaft. Man kann fischen und rudern und segeln. Und sogar in ihnen baden – aber wer mag das schon? Lange Reden indes sind die Freude derer, die zuhören können.«
    Partho spreizte die Beine und ergriff die Kette mit beiden Händen. Er bückte sich und sagte: »Dann sprich laut und viel, damit niemand den Lärm hört!«
    Während sich Parthos Muskeln spannten, berichtete Nabib, wie er hierher in dieses Gefängnis
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