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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
Autoren: Hans Kneifel
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gekommen war. Als er sah, daß sich Partho nach vorn warf, sprach er lauter. Die Kette spannte sich klirrend, aber der Krampen zwischen den Quadern rührte sich nicht. »Weiter!« befahl Partho.
    Während er sich mit aller Kraft mit der Kette abmühte, hörte er eine erstaunliche Geschichte.
     
    Vierzig Sommer alt war Nabib, der reisende Händler. Er kam von der weißen Küste und besaß einstmals viel mehr Fett am Körper als heute. Er war ein gutmütiger Mensch, aber ein gerissener Händler. Seinen Freunden lieh er sogar Geld, was unter Geschäftsleuten als ein Zeichen von Dummheit galt. Aber er besaß auch eine andere Seele. Die eines Schakals oder einer Hyäne. Die zweite Seele verhalf ihm zu ansehnlichen Gewinnen. Er hatte das Unglück erlitten, mit seiner prächtigen Karawane als letzter Händler in Urgor einzutreffen – bevor die Dürre kam. Damals waren die Straßen um die Stadt sicher, dank König Alac und der Palastwache.
    Mitten in den Geschäften griff die Fieberpest nach Nabib. Er wurde krank und konnte sich um nichts mehr kümmern. Die fette Tochter des Wirtes pflegte ihn zuvorkommend und lange. Als er wie durch ein Wunder die Krankheit überstanden hatte, war er abgemagert und, bis auf wenige Silbermünzen, bettelarm.
    »Wie kam das?« fragte Partho und riß wieder mit aller Kraft an der Kette. In der Wand knirschte Stein gegen Eisen.
    »Obad hatte den Besitz aller Seuchenopfer beschlagnahmt. Er kam mit seinen Helfern und erklärte, der Besitz müsse geopfert werden, da die Toten der Fieberseuche den Zorn des Geiergötzen mit dem Menschenkopf auf sich geladen hätten und dafür bestraft werden müßten. So verfuhr Obad auch mit meinem Hab und Gut. Ich konnte vor Schwäche nicht einmal toben und mich aufregen!« rief Nabib. »Trotzdem ging ich geradewegs zu Obad und beschwerte mich.«
    Obad lachte nicht einmal, als zwei seiner Männer Nabib ergriffen, zu Boden schlugen und fesselten. Dann warfen sie ihn ins Gefängnis und sagten ihm, er würde geopfert werden, wenn der Tag kam, an dem die Sonne vom Dämon verschlungen wurde. Seit fast zweieinhalb Monden war er hier. Daß er noch lebte, verdankte er nicht dem Gott der vielen Namen, sondern einem Wunder.
    Einmal, berichtete er, war ein Zwerg durch das Fensterchen gekommen und hatte ihm einen kleinen Schinken gebracht und eine Nacht lang mit ihm geplaudert. Er hatte sich am nächsten Tag zwar ziemlich satt gefühlt, aber nicht mehr gewußt, ob der Zwerg wirklich oder nur Teil eines recht angenehmen Traumes gewesen war.
    »Was ist der Wächter für ein Kerl – kann man ihm Furcht einjagen?« fragte Partho.
    »Er ist meistens betrunken und fürchtet nur Obad.«
    »Wir müssen aus diesem stinkenden Loch hinaus!« sagte Partho grimmig. »Und zwar möglichst bald. Ich habe viel zu tun. Es ist nur noch wenig Zeit bis zu dem Tag, an dem die Sonne verschlungen werden soll.«
    Wieder drehte und zerrte er an der Kette. Nabib sah ihm mit unerschütterlicher Ruhe zu.
     
    Als die Hand sie nach vorn riß, stolperte Amee.
    »Hier entlang! Schnell!«
    Die Stimme war heiser. Nach drei tastenden Schritten wurde ein Tuch von einer Nische weggezogen. Agrion hielt Amees Hand umklammert. Von der Flamme eines Öllämpchens breitete sich zuckender Lichtschein aus. Das Gesicht vor ihnen verschwand im Schatten einer Kapuze. Die Sklavin flüsterte ängstlich:
    »Sie werden uns töten, wenn sie uns fangen!«
    »Still!« Es war die Stimme eines Mannes, eines Dunklen Wächters. Wortlos und verwirrt gehorchte Amee. Es ging eine kaum schulterbreite Treppe in Spiralen abwärts. Auf den Stufen knirschten einzelne Getreidekörner. Oben dröhnten Schläge gegen die Tür. Die Stimme des Mannes vor ihnen klang gehetzt.
    »Wir müssen uns beeilen! Die Tür hält nicht lange!«
    Amees Herz schlug rasend schnell. Als sie hinunter auf die Stufen blickte, auf denen Licht und Schatten tanzten, drohten ihre Knie zu versagen. Sie dachte an Ada, die Obad nun in seiner Gewalt hatte. Der Griff der Sklavin lockerte sich. Die schwarzgekleidete Gestalt vor ihnen hob die Lampe über den Kopf. Es ging dreimal im Kreis hinunter, dann tat sich ein großer Raum auf, in dem die Schritte nachhallten. Amee sah auf dem Handgelenk des Mannes eine lange, gezackte Narbe.
    »Sukha!« flüsterte sie überrascht. Dieser Mann war einer der Söhne ihrer Amme.
    »Still! Ihr habt mich nicht gesehen. Sonst bin ich ein toter Mann!«
    Die Wände des Raumes leuchteten weiß. Auf dem Boden aus gestampftem Lehm lagen
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