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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
Autoren: Hans Kneifel
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nahm ihm das sanft schimmernde Amulett ab und legte es beiseite.
    »Und jetzt laß uns versuchen, den Schläfer wirklich zu wecken«, flüsterte sie und zog ihn an sich.
    Einen Atemzug lang war Furcht in ihm, und er wollte sich ihren kundigen Fingern entziehen, wollte ihr sagen, daß es Amee ganz allein sei, die er liebte. Aber der Wein entfachte Feuer in seinem Körper und in seinem Verstand, und die Sternennacht war voller Versprechungen – alles schien möglich in den Armen dieser geheimnisvollen Frau.
    »Küß mich«, flüsterte sie, »küß mich, geliebter Freund …«
    Da fanden sich ihre Lippen zu einem langen Kuß, der behutsam und zögernd begann und leidenschaftlich endete. Er spürte, wie sie erschauerte in seinen Armen. Er vergaß alles – seine Furcht, seine Sehnsucht, die Zeit und den Raum. Es gab nur noch die Frau, die in seinen Armen lag und deren wundersame Gedanken in seinem Kopf lockten und wisperten. Wie er von ihrem Körper Besitz ergriff, so ergriff sie Besitz von seinem Geist – mit dem gleichen Feuer, der gleichen Leidenschaft.
    Irgendwann zwischen diesen trunkenen Atemzügen und Herzschlägen, die die Vereinigung der Körper begleiteten, öffnete Dragon die Augen weit.
    Ein Stück des Sternenhimmels war verschwunden und hatte einer fremdartigen Szenerie Platz gemacht. Aber er sah nicht nur, er fühlte auch: Trauer, einen fremdartigen Hunger, Grausamkeit.
    Eine nur entfernt menschliche Gestalt stand in einem Raum, in dem kalte weiße Lichter brannten. Sie war zwei Köpfe größer als ein Mann, langbeinig, schmalhüftig und in ein metallisch schimmerndes Gewand gekleidet, das nur die Hände und den Kopf frei ließ. Das Gesicht war unendlich fremd, mit hoher Stirn, nur ansatzweise vorhandener Nase und spitzem Kinn, mit stechenden, runden Augen und blauer Haut.
    Das Wesen blickte hinaus durch ein achteckiges Fenster auf die Staubschleier und Sandwüsten einer sterbenden Welt, in der alles Leben erloschen war, außer dem der beherrschenden Art.
    Die Gefühle wechselten abrupt von Grimm zu Befriedigung und kaum bezähmbarer Erwartung.
    Das Wesen wandte sich dem Inneren des Raumes zu, wo ein Dutzend andere seiner Art vor einer gewaltigen Apparatur standen. Ein Trichter, durchsichtig wie Glas, strebte zur hohen Kuppel empor und stieß durch sie hindurch und ließ am Ende einen kleinen Ausschnitt des dämmrigen Himmels erkennen. Mächtige Ringe aus Metall verliefen wie ein Skelett in den Trichter. Der Schalttisch, auf dem die Apparatur ruhte, war dunkel bis auf ein einziges rotes Licht. Ein Summen erfüllte die Luft und vermittelte eine Ahnung von großen Kräften, die auf die Hand des Meisters warteten.
    In der Stille der Erwartung flogen die Hände des Wesens über Schalter und Knöpfe, begleitet von einem Triumphgefühl. Lichter flammten auf. Das Summen der Kräfte war einen Augenblick lang ohrenbetäubend. Dann schoß blaues Feuer die metallenen Ringe empor und griff in einer grellen Spirale hinaus in den Himmel.
    Aller Blicke richteten sich auf ein großes Auge aus Glas, auf dem Sterne in rasender Geschwindigkeit vorüberwirbelten.
    »Und nun seht die Welt«, sagte das Wesen triumphierend, »die auf uns wartet!«
    Die Versammelten stießen überraschte Rufe aus, als die Sterne verblaßten und sie auf eine wundersame, märchenhafte Stadt blickten, die voller Leben war. Bäume säumten die Straßen und Plätze und die wie flüssiges Silber gleißenden Kanäle. Brücken spannten sich in eleganten Bögen über Flüsse und Straßen. Türme jeder Form strebten zum Himmel auf wo große Vögel im warmen Wind kreisten. Wagen glitten durch die Straßen. Und am Horizont stieg ein Sternenschiff ins blaue Firmament.
    Ein Gefühl überkam Dragon beim Anblick dieser Stadt, wie er es seit seinem Erwachen noch nicht empfunden hatte. Er brauchte eine Weile, bis er begriff, was es war. Und die Erkenntnis schnürte ihm die Kehle zu.
    Es war Heimweh.
    Plötzlich erwachten Bilder in ihm, und die Wände gaben sie wieder.
    Er wanderte durch die Straßen der Stadt. Er wußte, daß sie Muon hieß. Da waren Gesichter, die meisten fremd, aber freundlich. Er war auf dem Weg zum Raumhafen. Die Vorahnung einer großen Gefahr trieb ihn.
    Aber die Bilder waren zu flüchtig. Je mehr er sie festzuhalten versuchte, desto mehr entglitten sie ihm, verschwanden hinter Schleiern des Vergessens. Als Marathas magische Sternenwände dunkel wurden, blieb nur ein Gefühl eines großen Verlustes. Der Schmerz, daß etwas Wundervolles,
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