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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
Autoren: Hans Kneifel
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hageren Antlitz mit den brennenden Augen. Der Oberpriester hob die Fackel, schwenkte sie über dem Kopf und rief:
    »Partho! Sieh dich um! Widerstand ist sinnlos! Öffne das Tor! Das Volk braucht das Opfer, es wird den Palast stürmen, wenn du Ada nicht freiwillig herausgibst!«
    Partho fühlte kalte Wut in sich aufsteigen. Seine Hand, die einen Pfeil aus dem Köcher zog, zitterte nicht.
    Einer seiner Männer schrie hinunter: »Versteck dich nicht, Feigling! Komm vor, und wir geben dir eine Antwort!«
    Partho zog langsam und kraftvoll die straff gespannte Sehne zurück und zielte. Die Menge rückte näher heran. Man brachte neue Fackeln und entzündete sie. Das Murmeln wurde lauter und drohender.
    »Los! Das Tor auf, Partho!« schrie Obad.
    Er hatte eine scharfe, durchdringende Stimme. Partho sah das hagere Gesicht und den schwarzen Kinnbart zwischen den Köpfen der abtrünnigen Wachen. Er zog die Sehne bis ans Ohr, löste die Finger und schoß. Der Pfeil sirrte davon und nagelte die linke Hand des Oberpriesters an den Schaft der Fackel. Obad schrie auf und duckte sich.
    »Du Wahnsinniger!« schrie er aus der sicheren Deckung. »Die Sonne wird verschwinden! Alles Leben wird enden! Ada muß auf dem Schrein geopfert werden!«
    Die drei Wachen und der jammernde Oberpriester blieben zurück, als sich die Menge ein Stück weiter an die vier Mannslängen hohe Palastmauer heranschob und abwartend innehielt. Partho konnte sehen, wie sie die Hand des Priesters verbanden. Einige Zeit später, mitten in die erwartungsvolle Ruhe hinein, schrie Obad:
    »Der Gott wird euch dafür büßen lassen! Stürmt den Palast! Brecht das Tor auf!«
    Ein Chor aus tausend Kehlen wiederholte den Schrei.
    »Brecht das Tor auf!«
    Die Masse kam erneut in Bewegung. Sie schleppten Steine und Balken, alte Waffen und Fackeln. Schritt um Schritt schloß sich der Menschenring enger um die Palastmauer. Obads Stimme durchdrang das Murmeln und erhob sich durch die Nacht:
    »Tod dem alten König! Bringt mir die Prinzessin! Dann wird Regen kommen. Regen für Urgor!«
    Das Volk schrie: »Regen für Urgor!«
    Dann stürmte es vorwärts. Balken und Steine wurden hinauf zur Mauer geschleudert. Von der Mauerkrone kam ein Pfeilhagel. Die vorderste Reihe geriet ins Stocken, als viele getroffen und schreiend zu Boden stürzten.
    Partho legte einen neuen Pfeil an die Sehne. Die Verwundeten und Toten wurden über den Sand gezogen. Für einige Augenblicke breitete sich Schweigen aus. Der erste Ansturm war vorüber, aber es gab keinen Zweifel, daß er nur das Vorspiel gewesen war. Und gleich darauf war Obads Stimme erneut zu vernehmen:
    »Holt die Prinzessin! Brecht das Tor auf!«
    Ein Steinhagel deckte die Mauern ein. Parthos Männer schossen schnell und gezielt. Pfeile fanden ihr Ziel. Menschen kreischten auf und sanken stolpernd zu Boden. Die abtrünnigen Wachen hielten die Schilde über die Köpfe und rannten auf das Tor zu. Krachend schlugen Pfeile in die Schilde, das Mauerwerk splitterte unter dem Steinhagel. Eine geschleuderte Fackel beschrieb einen hohen Bogen und traf mitten in das Gesicht eines Wächters. Der Mann stürzte schreiend hinunter in den Sand. Die Volksmenge schlug ihn mit Knüppeln tot.
    Partho zog einen Pfeil nach dem anderen aus dem Rückenköcher und schoß auf die Männer, die, mit Balken und Wagendeichseln ausgerüstet, im Schutz der Abtrünnigen das Tor berannten. Die Holzbohlen erzitterten unter den dröhnenden Stößen. Unablässig stachelten Obads Dunkle Wächter die Menge an.
    Durch die heiße Nacht donnerten die Rammstöße der metallbeschlagenen Deichseln. Gezielte Schüsse von den Zinnen rissen Lücken in die Reihen, die gegen das Tor rannten. Ein Stein traf einen Wächter am Hals und schleuderte ihn nach hinten. Der Mann starb ohne einen Laut. Ein anderer Bewaffneter rannte an Partho vorbei, schob die Spitze seines Schwertes unter eine Feuerschale und stemmte sich keuchend dagegen.
    Die brennende, mit heißem Öl gefüllte Schale kippte langsam um und vergoß ihren Inhalt nach unten. Ein Wasserfall aus Flammen sprühte hinab und hüllte zwanzig oder mehr Männer direkt am Tor in loderndes Feuer. Ein einziger gellender Schrei ließ fast die Mauern erbeben. Die Brennenden wälzten sich kreischend im Sand. Und die Pfeile und Speere der Verteidiger fanden in dem hellen Schein leicht ihr Ziel.
    Partho hob die Hand und rief leise: »Zeit für den Rückzug!«
    »Verstanden!« kam es aus dem Halbdunkel.
    Partho zog sein Schwert und rannte
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