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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
Autoren: Hans Kneifel
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Wand. Die brüchige Stimme des Königs hob sich ein letztes Mal.
    »Die Freunde flüchten vor dem Sterbenden. Ihr seid die Getreuen der letzten Stunde. Ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen.«
    Amee umarmte ihre Schwester, aber Ada rief in hilflosem Zorn: »Du darfst nicht sterben, Vater!«
    »Ihr könnt nichts ändern«, sagte Alac nach einer Pause. »Es geht dem Ende zu. Ich kann es nicht beweisen, aber Obad und die Dunklen Wächter haben mich vergiftet. Sie gaben mir, als ich vor zwei Monden um Regen bat, einen Becher mit Zeremonienwein. In diesem Wein war ein schleichendes Gift, das den Tod bringt. Nur die Kräuter und Säfte deiner Amme Iwa haben mich am Leben erhalten.«
    Erschöpft machte Alac eine Pause. Amee nahm den Weinbecher und hielt ihn an die rissigen Lippen ihres Vaters.
    »Aber jetzt müßt ihr handeln! Die Dunklen Wächter werden so lange hetzen, bis das Volk den Palast stürmt. Auch unter deinen Männern, Partho, gibt es Abtrünnige genug. Ihr müßt fliehen! Nehmt die schnellsten Pferde. Amee und Ada reiten mit dir, treuer Partho. Bring sie in Sicherheit. Verliert keine Zeit.«
    Alacs Hand kroch auf die Hand seiner älteren Tochter zu. Amee und Ada waren einander sehr ähnlich; Ada, noch ein Kind, eiferte der Älteren in allem nach, was sie tat. Aber nun waren sie beide nichts anderes als schutzlose Kinder, dachte der König bitter. Er konnte ihnen nicht mehr helfen – jetzt nicht mehr, da Obad verkünden ließ, die Sonne würde vom Dämon verschlungen, weil sie mit König Alacs Herrschaft nicht mehr einverstanden sei.
    »Verlaß dich auf mich«, sagte Partho leise und so zuversichtlich er es vermochte.
    »Macht schnell!« flüsterte der König. »Ihr habt einige Tage zu reiten; Reitet zuerst zu Bruder Damos und mit ihm zu der Burg der Weisen der Berge. Sie werden für euch sorgen. Dort seid ihr sicher. Im Palast werdet ihr sterben.«
    Amee und Partho wechselten einen kurzen Blick. Partho nickte schweigend.
    Agrion hatte sich bisher im Hintergrund gehalten. Sie stand neben dem niedrigen Tisch mit den Pokalen, dem Räucherwerk und dem Spiegel. Jetzt strich sie das lange dunkelbraune Haar aus der Stirn und kam an Alacs Lager.
    »Herr!« flüsterte sie. »Mein König!«
    Partho empfand Mitleid mit Agrion, so wie für alle Menschen, die Sklaverei oder Tod vor Augen hatten. Eine Welle des Hasses auf die Götzendiener kam in ihm hoch.
    »Herr! Auch deine Dienerin ist in Gefahr, wenn sie hier zurückbleibt«, sagte er rauh.
    Eine erwartungsvolle Stille herrschte in dem Raum, der nach Würzwein roch und nach den Kräutern der alten Iwa. Und nach dem Räucherwerk, das die Riegen vertrieb. Die Augen des Sterbenden schlossen sich. Schreie und Waffengeklirr und das Murmeln der Volksmenge waren bis hier herein zu hören. Alac öffnete die Augen, richtete sie auf Agrion und befahl:
    »Nehmt sie mit! Beschütze auch sie, Partho! Und jetzt laßt mich mit ihr allein! Nehmt den Schmuck mit, das Gold – und genügend Proviant!«
    Seine Stimme sank zu einem undeutlichen Murmeln ab.
    Partho war kein Freund langer Worte. Schnelles Handeln war seine Stärke. Er verbeugte sich und verließ den Raum. Er rannte durch den kühlen Korridor, erreichte den breiten Streifen hinter der Mauer und lief auf die Stelle zu, an der sich seine Männer versammelt hatten. In der Altstadt stieß jemand in eine Lure. Die weithin schallenden Töne mußten bis zum Schrein des schlafenden Gottes zu hören sein. Der leuchtend blaue Himmel spannte sich von den Bergen bis zur Schleife des Raxos. Nicht eine einzige Wolke stand am Firmament. Ein heißer, trockener Wind, der Lippen und Gaumen ausdörrte, jagte unten in der Ebene kleine Sandwirbel auf.
    Partho ergriff den Schlegel und schlug dreimal auf den tonnenförmigen Gong aus gehämmertem Kupfer. Die Klänge weckten ein vielfältiges, donnerndes Echo. Die Männer der Palastwache liefen zusammen und bildeten einen Kreis. Partho zählte nicht mehr als fünfzig … von fast zweihundert Männern. Er unterdrückte einen Fluch.
    Sie trugen die kurzen, ockerfarbenen Waffenröcke. Ihre Brustharnische funkelten in der Sonne. Seit vier Jahren gab es diese Truppe, und die Männer, die Partho im Kreis umstanden, waren schon immer die zuverlässigsten Kämpfer gewesen. Ein Mann kam auf ihn zu und rief:
    »Wir haben sie nicht aufhalten können. Zehn Männer stehen noch hinter den Zinnen, die anderen haben sich in die Stadt davongemacht und wohl Obad angeschlossen. Sie fürchteten sich vor dem Zorn des
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