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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
Autoren: Hans Kneifel
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rasend galoppierenden Pferdes.
    Hauptmann Partho hob den Kopf, glitt aus dem kühlenden Schatten hervor und sah zwischen zwei Quadern der Mauerbrüstung hinunter auf die Stadt. Noch konnte er den Reiter nicht erkennen. Dann sah er ihn zwischen den Wedeln der staubigen Palmen auftauchen. Der Reiter hing tief im Sattel. Er schien schwer verletzt zu sein. Mit der Rechten gebrauchte er unbarmherzig die Reitpeitsche. Das Tier galoppierte die breite Prunkstraße entlang. Partho kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Der Reiter war ein Mitglied der Palastwache.
    »Er muß den Dunklen Wächtern in die Finger geraten sein«, murmelte er. Er fluchte, als er den langen Pfeil in der Schulter des Reiters entdeckte.
    Dann sah er über dem Hals des schwitzenden Pferdes das blutüberströmte, verzerrte Gesicht des Reiters. Er hielt sich mit letzter Kraft im Sattel. Am linken Oberschenkel bemerkte Partho eine zweite, furchtbare Wunde. Der Reiter galoppierte jetzt auf das offene Tor in der niedrigeren Palastmauer zu. Partho verließ seinen Platz, rannte mit großen Schritten eine lange, breite Treppe hinunter und kam in den Bereich der unbarmherzig herunterbrennenden Sonne.
    »Es ist Khreon«, sagte er und lief ihm entgegen.
    Der Reiter sprengte heran. Er war halb blind. Das Blut aus einer Stirnwunde sickerte über die Brauen in die Augen. Bei jedem Sprung des Pferdes wippte der Pfeil im Rücken. Sattel und Satteldecke waren blutig. Khreon zog heftig am Zügel, das Pferd wieherte auf, stieg steil hoch und schleuderte den Reiter aus dem Sattel. Partho sprang hinzu und fing den Mann auf. Vorsichtig ließ er ihn zu Boden sinken, kniete in den Sand und beugte sich über ihn. Der Mann war dem Tode nah. Partho brach mit einer schnellen Bewegung den Pfeil ab.
    Der Verletzte stöhnte auf. »Obads Schergen … sind hinter mir her! Ich weiß alles!«
    Partho winkte nach hinten. Mit der Hand hob er den Kopf des Mannes hoch. Er löste die kleine Weinflasche vom Gürtel und setzte sie dem Sterbenden an die Lippen. Khreon trank und hustete. Schaumiges Blut erschien in den Mundwinkeln.
    »Was weißt du?« fragte Partho drängend.
    »Die Sonne … sie wird verschwinden. Die Dunklen Wächter wollen eine Jungfrau opfern und den Schrein … des Schlafenden zertrümmern.«
    »Wann?«
    »Sonne … verschlungen wird …«, sagte der Sterbende. Er hustete kurz, dann ging ein Zucken durch seinen Körper, bevor er erschlaffte.
    Partho ließ den Kopf in den Sand zurücksinken und stand auf. Einige seiner Männer kamen heran, hielten das Pferd fest und blickten ihren Hauptmann fragend an.
    »Bringt Khreon weg!« sagte er knapp. »Schließt das Palasttor!«
    Er ging schnell die lange Treppe hinauf in den Teil des Palastes, in dem der sterbende König lag. Des Königs Dienerin, die Sklavin Agrion, stand neben der Tür, die zur Terrasse führte. Ihre schmale Hand winkte dem schwarzbärtigen Hauptmann. Partho beschleunigte seinen Schritt und blieb dicht vor Agrion stehen. Sie war fast so groß wie er.
    »Der König wird sterben«, sagte Agrion und kämpfte mit den Tränen. »Ich soll dich zu ihm bringen.«
    Partho nickte nur und ließ ihr den Vortritt. Vor wenigen Tagen war Partho vierundzwanzig Jahre alt geworden. Seit vier Jahren diente er Alac und dem Königshaus von Urgor, der großen Stadt am Raxos. Inzwischen leitete Partho die Männer der Palastgarde, bildete sie aus und versuchte mit ihrer Hilfe, die Gegend von Urgor sicher vor räuberischen Banden zu machen.
    Die Sklavin führte ihn durch die kühle Dämmerung zwischen Steinmauern entlang zum Zimmer, in dem der Sterbende lag. Dort hielt sie an und schlug schweigend den schweren Vorhang zur Seite. Partho trat ein. Durch ein Fenster fiel ein Lichtstrahl auf König Alacs Hände, die sich unruhig auf dem Laken bewegten. Wie die Knochen eines Skeletts! fuhr es Partho durch den Sinn. Er ließ sich neben dem Lager auf ein Knie nieder. Der König öffnete die Augen, als er Parthos rauhe, bewegte Stimme hörte.
    »Herr! Wie geht es dir?« Parthos dunkle Augen forschten in den eingefallenen Zügen des alten Königs.
    »Ich fühle mein Ende kommen!« erwiderte Alac. Seine Stimme zitterte. »Gib mir den Becher – nein, den anderen, den mit dem starken Wein!«
    Partho drehte sich um und goß aus einem schweren Tonkrug kalten Rotwein in einen Pokal. Er setzte ihn dem König an die Lippen. Alac schluckte mühsam, seine knöcherne Hand umklammerte Parthos Handgelenk. Der Atem des Königs wurde leichter und
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