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Drachenwächter - Die Prophezeiung

Drachenwächter - Die Prophezeiung

Titel: Drachenwächter - Die Prophezeiung
Autoren: Falko Löffler
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liefen.
    Schon oft war Seld den Drachen nahe gewesen, und er wusste, dass sie sich auf den Plateaus der Koan-Berge und in den Höhlen nur selten auf dem Boden bewegten. Erst in den Lüften entfalteten Drachen ihre Pracht; mit einem einzigen Schlag ihrer Schwingen legten sie eine Strecke zurück, für die ein Mensch zu Fuß einen halben Tag benötigte. Mit der Luft spielten die Drachen kunstvoll wie mit einem Instrument, lenkten ihre Körper in steilen Bögen in den Himmel und stürzten wieder in die Tiefe, doch auf dem Boden bewegten sie sich schwankend und unsicher.
    Alle Menschen auf dem Marktplatz waren wie erstarrt. Niemand von ihnen brachte zunächst ein Wort hervor – der Anblick überwältigte sie.
    Das Schnaufen der Drachen und das Geräusch der Krallen, die die Erde aufrissen, wehte über den Marktplatz. Ein ängstliches Gemurmel erhob sich, und von einem Moment zum nächsten rannten die Menschen in blinder Panik los, suchten ihre Verwandten, nahmen ihre Waren, trieben Tiere an, schlugen Türen hinter sich zu, brüllten ihre Angst in die kalte Luft hinaus.
    Lokar, der noch bei Seld stand, machte einen unschlüssigen Schritt nach vorne, dann nach hinten und schließlich eilte er zu seinem Wagen, während er immer wieder ausrief: »Die Drachen kommen!« In einer fließenden Bewegung hievte er sich auf den Kutschbock, griff nach den Zügeln und schlug mit ihnen zu, worauf die beiden Lif mit überraschtem Blöken reagierten und ruckartig lossprangen, den Wagen hinter sich herzogen.
    Selds Blick folgte Lokars Wagen, der sich bedrohlich zur Seite neigte und vor dem die Menschenmenge auseinanderrannte, doch er schaffte es, die Gassen von Hequis ohne Kollision zu durchqueren und das Dorf in südlicher Richtung zu verlassen.
    Anderen Händlern gelang dies nicht. Direkt hinter Lokar folgten zwei Wagen, die in dieselbe Gasse einbiegen wollten. Die Tiere wichen aus, aber die Wagen, die sie zogen, schleuderten zur Seite – ein Wagen drückte den anderen gegen eine Hauswand, so dass die Schindeln vom Dach fielen, dann kippten beide Wagen zur Seite und ergossen ihre Fracht auf den Boden. Die zwei Händler sprangen ab und rannten nach Süden, nachdem sie die Zügel ihrer Lif durchgeschnitten hatten.
    Seld verfolgte das, was um ihn geschah, in machtloser Ergebenheit. Die Hequiser mussten das Dorf verlassen, damit sie nicht von den Pranken der Drachen zertrampelt wurden.
    »Wo sind Erima und Hem?«, brüllte Ark zu Seld. »Hast du sie gesehen?«
    »Nein«, rief Seld zurück. Seine Augen waren auf die golden geschuppten Körper geheftet, die sich langsam auf das Dorf zuschoben. Die ersten Drachen liefen schon den flachen Hang hinab. Seld sah noch die helle Spur im Wildkraut, die der Junge hinterlassen hatte, als er nach Hequis gerannt war – nun wurde sie von goldenen Leibern verschluckt. Seld spürte den Boden unter sich erzittern.
    Genau in diesem Moment verließ Selds Geist seinen Körper.
    Drachen umgaben ihn. Sie liefen an Seld vorüber, ihre Krallen und Schwingen tanzten vor seinen Augen, aber nicht ein Drache berührte Seld, obwohl ihre Pranken sich bedrohlich nahe bei ihm in den schwarzen Boden bohrten.
    Seld machte einige Schritte nach vorn, streckte seine Arme aus, um einen der Drachen zu berühren, doch sie wichen vor ihm zurück. Wohin er sich auch wendete, seine Hände glitten nur durch Luft.
    Doch die Drachen drangen in Selds Gedanken ein. Ihre Stimmen schwirrten durch seinen Kopf, redeten auf ihn ein und brachen wieder ab, während sich andere Drachenstimmen erhoben:
    ... keine Angst ...
    ... gehörst zu uns ...
    ... komm mit ...
    ... weg ...
    ... werden nicht töten ...
    Seld blieb stehen, griff sich an seinen Kopf, der zu bersten drohte, als die Stimmen von ihm Besitz ergriffen. » Versprecht es « , forderte er im Geiste. » Versprecht, dass ihr niemanden in Hequis töten werdet. «
    ... wir versprechen ...
    Die Worte schienen wie von einem vielstimmigen Chor zu kommen und hallten in seinen Gedanken wider.
    Selds Geist kehrte in seinen Körper zurück; seine Sinne nahmen wieder den Marktplatz und die nahenden Drachen wahr. Er taumelte, konnte aber verhindern, dass er zu Boden fiel – diese Reise seines Geistes konnte nur einen Augenblick gedauert haben, doch was er erlebt hatte, war ihm so real erschienen wie die Hequiser, die an ihm vorüberrannten.
    »Was ist mit dir?«, fragte Ark neben ihm.
    »Es war wieder eine Geistesreise. Ich habe im Geist die Stimmen der Drachen vernommen – sie werden uns nicht
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