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Drachenwächter - Die Prophezeiung

Drachenwächter - Die Prophezeiung

Titel: Drachenwächter - Die Prophezeiung
Autoren: Falko Löffler
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die Toten in unsere Träume eindringen, um uns zu warnen? Oder um uns an sie zu erinnern?«
    »Die Toten ruhen. Wir gedenken ihrer und ehren sie dadurch, aber sie sprechen nicht zu uns. Du solltest das Vergangene zurücklassen, sonst wirst du daran zerbrechen.«
    Seld lächelte. »Du hast Recht. Diese Nacht ist vorüber.« Er zog ein Hemd und einen Mantel aus gegerbter Lifhaut an und trat gemeinsam mit Ark vor die Tür seines Hauses.
    Der Morgen begrüßte Seld mit der schneidenden Kälte, die jeder Bewohner von Hequis gewohnt war. Selbst im Hochsommer wurde es im Nordostland selten so warm, dass die Hequiser auf ihre Mäntel verzichten konnten. Die Lifhaut war ein guter Schutz vor dem eisigen Wind, der von den Bergen her seinen Weg zwischen den Häusern hindurchsuchte. Die Sonne stach vom Himmel und vertrieb jeden Schatten aus der Landschaft, so dass Seld seine Augen zusammenkneifen musste.
    Das Nordostland war nur gering bewachsen. Einige Bäume standen in der hügeligen Landschaft, und nur wenige Tage in der Sommerzeit trugen sie ein helles Blätterdach. Während des übrigen Jahres waren sie knorrige, schwarze Schemen, nur als Feuerholz zu gebrauchen. Häuser konnten daraus nicht errichtet werden; zum Bauen mussten stabile Stämme aus den Südländern hergeschafft oder Steine verwendet werden. Wildkraut bedeckte den harten Boden von einem Ende des Nordostlandes bis zum anderen – von den Koan-Bergen bis hinab zur Weiten Steppe. Es war den Lif und den Jari eine gute Nahrung, doch die Menschen konnten das Kraut nicht essen, denn es war bitter und verursachte Magenschmerzen.
    Bald würde der Winter hereinbrechen und den ersten Schnee bringen. Die Hequiser hatten in den vergangenen Tagen ihre Felder abgeerntet, und ihre Lager waren gefüllt. Neben den Carem-Knollen, die aus der Erde gegraben wurden und die roh oder gekocht das wichtigste Nahrungsmittel im Nordostland waren, pflanzten die Hequiser nur noch etwas Getreide an, das zum größten Teil im Boden verkümmerte, doch der Ertrag war hinreichend genug, um zumindest einige Laibe Brot daraus zu backen. In diesem Sommer war die Ernte so reichhaltig gewesen, dass die Hequiser sogar einige Carem-Knollen an Händler verkaufen konnten, statt alle für den Winter zu lagern. Auch die Stöcke mit den kleinen Nordbeeren hatten sich in diesem Jahr unter ihrer Last gebogen. Aus ihnen pressten die Hequiser am Ende des Herbstes den Saft und machten köstlichen Wein, für den Händler hohe Beträge zahlten, da er in Klüch sehr begehrt war.
    Seld und Ark gingen hinter das Haus. »Könntest du etwas Wasser aus dem Brunnen schöpfen?«, bat Seld und reichte seinem Freund einen Eimer. Ark ging zu dem nahen Brunnen und grüßte die anderen Hequiser, die dort Wasser holten.
    Als Seld vor zwei Jahren aus seinem selbst auferlegten Exil in den Wimor-Bergen nach Hequis zurückgekehrt war, hatte er nur eine Ruine vorgefunden. Das Haus, in dem er aufgewachsen war und in dem er glückliche Tage mit Alema verlebt hatte, war erst den Flammen, dann der Witterung zum Opfer gefallen. Niemand in Hequis hatte darin wohnen wollen, nachdem er das Dorf verlassen hatte. So war das Haus viele Jahreszeiten lang seinem Schicksal überlassen worden. Der erste Winter in seiner Behausung war kalt gewesen. Durch die Ritzen im Gemäuer pfiff eisiger Wind, und kein Lebewesen teilte seine Wärme mit ihm. Die Nächte mit der strengsten Kälte hatte Seld im Haus seines Freundes Ark verbringen müssen. Erst im darauf folgenden Frühling konnte er das Haus wieder reparieren.
    Dann, im Sommer, war er zum neuen Vorsteher von Hequis berufen worden. Dislin, der alte Vorsteher, hatte eine tiefe Freundschaft zu Seld gepflegt, und er fühlte wohl sein Ende nahen, denn bevor er diese Welt verließ, bestimmte er Seld zu seinem Nachfolger, so wie jedes Ratsmit glied jederzeit seinen Platz an eines seiner Kinder abtreten konnte. Auch wenn ein Vorsteher das Recht hatte, jederzeit seinen Nachfolger zu bestimmen, hatte dies noch niemals jemand in Anspruch genommen. Bis dahin waren die Vorsteher in Hequis immer nach dem Tod eines Vorstehers durch den Rat bestimmt worden.
    Quint Tamat war Dislins Stellvertreter gewesen, und heute war er der von Seld. Er hatte erwartet, selbst der neue Vorsteher zu werden, und nun stand er wieder im Schatten eines anderen, der Hequis vertrat. Seld versuchte, Quint zu beschwichtigen, indem er ihm die Aufsicht über den Markt übertragen wollte, doch Quint lehnte ab.
    An der Rückseite seines
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