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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen
Autoren: Dean R. Koontz
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selbstbewussten Haltung, die für Berufspolizisten typisch ist. Nur wenige trugen Uniform. Das Special Projects zog Kriminalbeamte von der Mordkommission und Undercover-Detektive aus Behörden des Bundes, einzelner Staaten, Bezirke oder Städte heran, um Ermittlungen zu erleichtern, die sich über verschiedene Zuständigkeitsbereiche erstreckten. Teams für Sonderaufgaben, manchmal ganze Spezialeinheiten, beschäftigten sich mit mordenden Jugendbanden, Serienmorden, vielfachen Vergewaltigern und mit Rauschgifthandel großen Stils.
    Harry teilte sich auf dem ersten Stock ein Büro mit Connie Gulliver. Seine Hälfte des Raumes erhielt durch eine kleine Palme, chinesisches Immergrün und einen hängenden Efeu eine gewisse Behaglichkeit. In ihrer Hälfte gab es keine Pflanzen. Auf seinem Schreibtisch befanden sich nur ein Notizbuch, ein Satz Stifte und eine kleine Messinguhr. Auf ihrem stapelten sich Haufen von Akten, losen Blättern und Fotografien.
    Überraschenderweise war Connie schon da. Sie stand mit dem Rücken zu ihm am Fenster.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    »Tatsächlich?« fragte sie verdrießlich.
    Sie drehte sich zu ihm um. Sie trug stark abgenutzte Reeboks, Bluejeans, eine rot-braun karierte Bluse und eine braune Cordjacke. Die Jacke liebte sie besonders, sie hatte sie so oft getragen, dass der Cord an einigen Stellen schon fadenscheinig wurde, die Ärmel waren unten ausgefranst, und die Falten in der Armbeuge schienen so unvergänglich wie Flusstäler, die das Wasser in Millionen von Jahren in den Felsen gegraben hat.
    In einer Hand hielt sie einen leeren Pappbecher, aus dem sie Kaffee getrunken hatte. Sie knüllte ihn beinah wütend zusammen und warf ihn auf den Boden. Er sprang hoch und landete in Harrys Raumhälfte.
    »Lass uns abzischen«, sagte sie und steuerte auf die Tür zum Flur los.
    Er starrte den Pappbecher auf dem Fußboden an und sagte: »Warum diese Hektik?«
    »Wir sind doch Cops, oder? Deshalb sollten wir den Arsch hochkriegen und das machen, wofür Cops bezahlt werden.«
    Als sie bereits außer Sichtweite im Flur verschwunden war, starrte er immer noch auf den Becher in seinem Teil des Zimmers. Mit dem Fuß stieß er ihn über die unsichtbare Grenze, die durch das Büro verlief.
    Er folgte Connie bis zur Tür, blieb aber auf der Schwelle stehen. Er schaute sich nach dem Pappbecher um.
    Inzwischen musste Connie am Ende des Flurs sein, vielleicht lief sie sogar schon die Treppe hinunter.
    Harry zögerte, ging zu dem zerknüllten Becher zurück und warf ihn in den Papierkorb. Zwei andere Becher warf er ebenfalls hinein.
    Er holte Connie auf dem Parkplatz ein, während sie gerade die Fahrertür ihres zivilen Dienstwagens aufriss. Als er einstieg, ließ sie bereits den Wagen an. Dabei drehte sie den Schlüssel so heftig, dass er eigentlich im Zündschloss hätte abbrechen müssen.
    »Schlecht geschlafen?« fragte er.
    Sie haute den Gang rein.
    Er sagte: »Kopfschmerzen?«
    Sie setzte zu schnell aus der Parklücke zurück.
    Er sagte: »Eine Laus über die Leber gelaufen?«
    Das Auto schoss auf die Straße zu.
    Harry stützte sich ab, aber er machte sich keine Sorgen wegen ihrer Fahrweise. Mit Autos konnte sie weit besser umgehen als mit Menschen. »Möchtest du drüber reden, was immer es ist?«
    »Nein.«
    Für jemand, der immer aufs Ganze ging, der in gefährlichen Situationen keine Angst zu haben schien, am Wochenende Fallschirmspringen und halsbrecherisches Moto-Cross fahren ging, war Connie Gulliver auf frustrierende Weise zurückhaltend und spröde, wenn es darum ging, persönliche Dinge preiszugeben. Sie arbeiteten nun schon seit einem halben Jahr zusammen, und wenn Harry auch eine ganze Menge über sie wusste, hatte er doch manchmal das Gefühl, nichts Wichtiges über sie zu wissen.
    »Vielleicht hilft es, drüber zu reden«, sagte Harry.
    »In dem Fall nicht.«
    Harry beobachtete sie verstohlen, während sie fuhr, und fragte sich, ob ihre Wut wohl mit einem Mann zu tun hatte. Er war seit fünfzehn Jahren Polizist und hatte genug Verrat und Elend gesehen, um zu wissen, dass an den meisten Problemen von Frauen Männer schuld waren. Er wusste allerdings absolut nichts über Connies Liebesleben, noch nicht einmal, ob sie überhaupt eins hatte.
    »Hat es was mit diesem Fall zu tun?«
    »Nein.«
    Das glaubte er ihr. Sie bemühte sich, offenbar mit Erfolg, sich von dem Schmutz, durch den sie als Polizistin waten musste, rein zuhalten.
    Sie sagte: »Ich habe allerdings große Lust, diesen
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