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Drachensturm

Titel: Drachensturm
Autoren: Torsten Fink
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Beschreibung der Stadt war reichlich ungenau und eher verwirrend gewesen. Immerhin hatte sie verstanden, dass es keine Stadtmauer, aber wohl beinahe ein Dutzend » Festungen« gab, die durch riesige Wälle streng voneinander getrennt waren und nicht viel mit europäischen Zitadellen gemein hatten. In jeder dieser Festungen schien es Tempel, Paläste, Hütten und große Plätze zu geben, die Dietmar zwar aus der Luft gesehen, aber ebenfalls äußert ungenügend beschrieben hatte. Es schien wirklich, dass die Zitadelle, die sie eingenommen hatten, bis auf die zahllosen Seevögel vollständig verlassen war. Die Waffenknechte – bis auf Marduk hatte jeder Drache neben seinem Ritter noch zwei oder drei Männer getragen – waren allerdings noch dabei, die Hütten und die vielen Lagerhäuser zu durchsuchen, als könnten sie nicht glauben, dass es hier keine Feinde geben sollte.
    Außerhalb der hohen Mauern, in anderen Teilen dieser seltsamen Stadt, wütete Feuer. Die Dächer, so Dietmar, waren mit trockenem Schilf gedeckt, das wie Zunder brannte. Sie fragte sich, ob denn niemand die Feuer löschte, denn jetzt schien es ihr seltsam still in der Stadt. Sie hörte das einschüchternde Brüllen eines Drachen und vermutete, dass es Schamasch war, der den einzigen Zugang zu ihrer Festung bewachte. Andere Drachen lagen draußen auf dem großen Platz, der von einem Kanal geteilt wurde. Sie hatte ihn selbst auf einer steinernen Brücke überquert, nachdem Marduk gelandet war. Sie war zwar blind, aber sie hatte dennoch den Eindruck, dass dies einst ein schöner Ort gewesen sein musste. Warum nur war er verlassen? Sie schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich auf das rhythmische, leise Klacken ihres Stabes, der sie weiter den Gang entlangführte. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass dieser Palast angeblich sogar kleiner war als andere Gebäude dieser Anlage. Die Ritter hatten ihn gewählt, weil er im Gegensatz zu den anderen nur einen Zugang und in den unteren Geschossen auch keine Fenster hatte. Somit war er leicht zu verteidigen.
    Mila vernahm jetzt die Stimmen zweier Männer, und sie konnte sie bald unterscheiden: Es waren ihr Großonkel, Hochmeister Maximilian, und Graf Tassilo, einer der Ordensmeister. Es war die Rede von bestimmten Bildern, die sie suchten, und von Meister Albrecht, dem Alchemisten, der noch auf dem Schiff der Pizarros war, das erst in den nächsten Tagen erwartet wurde. Plötzlich aber verstummten die Stimmen. Mila hatte den offenen Eingang des großen Saales erreicht. Ein frischer Windstoß begrüßte sie.
    » Ah, Mila, komm nur herein«, rief ihr Großonkel. » Ist das Quartier zu deiner Zufriedenheit?«
    Sie nickte und blieb stehen. Etwas sagte ihr, dass dort vor ihr ein Hindernis auf dem Boden lag.
    » Gebt Acht auf Eure Schritte, Comtesse«, warnte die raue Stimme Graf Tassilos.
    Ihr Stab tastete über Lehmziegelbrocken.
    » Du musst entschuldigen, Mila, aber offensichtlich war das Dach dieses Palastes nicht für die harte Landung von Drachen bestimmt.«
    Durch die Decke tönte ein missmutiges Schnauben. Mila erkannte Marduk, der wohl hinaufgeflogen war, nachdem er sie abgesetzt hatte. Jetzt verstand sie auch den Wind, der durch die weitläufige Kammer wehte. Wenn ihre Sinne sie nicht täuschten, fehlte nicht nur ein Teil der Decke, auch ein Stück der Außenwand musste weggebrochen sein. Sie überquerte das Hindernis mit einem entschlossenen Schritt.
    » Es ist schade, dass du das nicht sehen kannst, Mila: Die Goldschmieder dieser Eingeborenen verstehen ihr Handwerk.«
    » Und sie haben Gold und Silber im Überfluss, Comtesse. Pizarro hat nicht übertrieben«, fügte Graf Tassilo hinzu. Er war der Tressler, also der Schatzmeister des Ordens.
    Anna Milena Leonore Gräfin von Tretzky, genannt Mila, trat an den Tisch und streckte die Hand aus, bis sie eine kleine, kühle Figur berührte. » Ich hielt diesen Palast für verlassen«, sagte sie. Sie befühlte vorsichtig das erste Stück. Es war schwer und glatt, Silber, da war sie sich sicher.
    » Ja, es ist seltsam. In einigen Kammern scheinen Menschen gewohnt zu haben, die wir aber nicht finden können. Das Geschmeide stammt von dort«, sagte der Hochmeister nachdenklich.
    Mila ertastete feine Strukturen und Ziselierungen. Es war ein Tier, das sie nicht kannte. » Das ist doch kein Pferd, oder?«, fragte sie unsicher.
    Graf Tassilo lachte kurz auf. » Nun, man könnte es leicht mit einem Pferd verwechseln. Es handelt sich wohl um ein Lama, wie wir
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