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Drachensturm

Titel: Drachensturm
Autoren: Torsten Fink
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sie in San Miguel gesehen haben, Comtesse. Es ist Silber, gutes Silber, das ist die Hauptsache, und ist es erst eingeschmolzen, ist es ohnehin gleich, was es einmal war.«
    Mila stellte das Tier vorsichtig zurück. Sie spürte einen starken Unwillen dagegen, so eine kunstvolle Figur in einem Schmelzofen zu vernichten. Sie war blind, und nur mit wenigen Ordensrittern war sie so vertraut, dass sie sie um Erlaubnis bitten konnte, ihr Gesicht zu ertasten. Ihren Großonkel hatte sie schon vor Jahren gefragt, und seine hohe Stirn, die buschigen Brauen und die vielen feinen Falten hatten sie in ihrem Eindruck bestätigt, dass er eine würdevolle Erscheinung war. Den Tressler hatte sie nie berührt, sie spürte auch kein Bedürfnis danach, und sie stellte ihn sich als eine Art Gnom mit gierigen, großen Händen vor. Hier lag sie jedoch falsch, wie ihr Dietmar versichert hatte: Graf Tassilo war zwar etwas klein von Wuchs, aber sonst durchaus ansehnlich – was immer darunter zu verstehen war. Jetzt fragte sie sich, ob der Graf absichtlich auf ihre Schwäche angespielt hatte. Sie hatte natürlich noch nie ein Lama gesehen. Ihre Rechte tastete weiter und bekam einen schweren Becher zu fassen.
    » Gold«, erklärte der Tressler. » Die Berichte über die Reichtümer dieses Landes waren wohl eher untertrieben, wenn sogar in diesem halb verlassenen Palast derart wertvoller Zierrat zu finden ist. Ich bin bereit, Pizarro Abbitte zu leisten, denn ich war bis heute der Meinung, er hätte von all dem Gold und Silber nur phantasiert, um die nötigen Vollmachten und Mittel für die Fortführung seiner Expedition aufzutreiben. Ich habe mich geirrt.«
    Mila stellte den Becher – auf seinem Rand saß eine kleine Figur mit zu großem Kopf und langer Nase – wieder ab. Noch nie hatte sie etwas Vergleichbares in der Hand gehalten.
    Der Schatzmeister wandte sich an den Hochmeister des Drachenordens. » Aber Ihr müsst mich nun entschuldigen, Graf Maximilian, Comtesse, denn es ist sehr viel zu tun. Wir haben die Festung zwar im Handstreich genommen, doch nun müssen wir auch dafür sorgen, dass sie in unserer Gewalt bleibt. Wir wissen ja noch nicht genau, wann die Verstärkung eintrifft. Ich werde hinuntergehen und sehen, wie weit Marschall di Collalto und de Lanois mit der Organisation der Verteidigung sind. Außerdem sollte der Morisco bald zurück sein. Ich hoffe, er hatte Erfolg.«
    » Und erinnert di Collalto daran, unsere Fahnen auf dem Dach zu hissen.«
    » Die des Kaisers?«, fragte der Tressler.
    » Und die unseres Ordens. Mit der spanischen wollen wir noch ein wenig warten«, sagte der Hochmeister mit einem seltsamen Unterton. Mila nahm an, dass es um Politik ging – das war etwas, wovon sie nicht viel verstand. Stattdessen fragte sie neugierig: » Womit Erfolg, Graf Tassilo?«
    » Der Morisco versucht, mit einigen unserer Männer jemanden aufzutreiben, der in dieser Stadt etwas zu sagen hat. Sie ist riesig, scheint aber weitgehend unbewohnt zu sein. Bisher haben wir jedenfalls vergeblich nach dem Curaca gesucht. Er scheint sich zu verstecken, und sein ganzer Hof mit ihm. Vielleicht war unser Angriff in dieser Hinsicht etwas zu erfolgreich.« Er verneigte sich knapp, wie Mila aus dem leisen Knarren der Lederriemen seiner Rüstung schloss, und verließ die Kammer mit dem leicht schleppenden Schritt, der ihr verriet, dass die Gicht dem Grafen wieder zusetzte. Sie war froh, dass er ging, denn sie fühlte sich in seiner Gegenwart immer etwas unwohl.
    » Hat Don Mancebo diese Festung wirklich verlassen?«, fragte sie besorgt, als sie unter sich waren.
    » Das war unvermeidlich, Mila. Ich denke aber, dass die Indios es sich gut überlegen werden, bevor sie ihn, unsere Waffenknechte und vor allem seinen Drachen Ianus angreifen. Ich habe eher Sorge, dass sie sich noch tiefer verkriechen und wir niemanden finden, der uns hier Rede und Antwort steht.«
    Mila war nicht beruhigt. » Aber in den engen Straßen? Da kann Ianus vielleicht nicht richtig kämpfen, Onkel.«
    Der Hochmeister schien jedoch abgelenkt: » Es ist wirklich erstaunlich, Mila«, erklärte er, » sie verstehen sich auf die Bearbeitung von Silber und Gold, aber ich habe noch kein Stück Eisen gesehen. Und ihre Waffen sind – und dafür sollten wir Gott danken – armselig.«
    » Ich habe bemerkt, dass sie sehr wohl mit Pfeilen auf uns geschossen haben«, wandte Mila ein.
    » Das hast du bemerkt? Wirklich, ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass du nicht so hilflos
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