Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachensturm

Titel: Drachensturm
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
keuchend ans Ufer geschwommen war. Sie fiel Nabu um den Hals, was dieser unter Lachen und Jammern ertrug, erzählte ihm, was geschehen war: von ihrem Kampf mit dem Alchemisten und von Tamachocs schillernder Erscheinung, und den Drachen, die ihm über den großen Wald nach Osten gefolgt waren. Sie spürte, wie tief beeindruckt der Drache war.
    » Sie sind also Tamachoc gefolgt, nach Osten, sagst du …« Er verstummte, und eine Weile schwiegen sie beide.
    » Und die Ritter?«, fragte Nabu dann.
    » Nein, sie sind ohne Ritter geflogen, aber ich hoffe … ich glaube, sie haben sie vorher sicher abgesetzt«, erwiderte Mila.
    » Dann lass sie mich rufen«, meinte der Drache, reckte den Hals und stieß einen langgezogenen Ruf aus. Sie gingen ein Stück den Fluss hinab, um vom Rauschen der Stromschnellen fortzukommen. Nabu wiederholte seinen Ruf noch dreimal. Und schließlich hörten sie von Ferne ein Hornsignal zur Antwort. » Siehst du, du bist nicht der letzte Ritter deines Ordens«, sagte Nabu.
    Dann berichtete Nabu, dass die Spanier ihn zwar entdeckt hatten, ihm aber aus dem Weg gegangen waren, weil sie wussten, dass ein Drache, der sich nicht rühren kann, keine große Gefahr darstellte, solange man außer Reichweite seines Feueratems blieb. » Außerdem hatten sie es wohl eilig, weil sie endlich den Tempel gefunden hatten. Also ließen sie mich hilflos zurück. Aber gesehen habe ich sie dann doch noch einmal, als der Strom ihrer leblosen Körper vorüberwälzte. Konrad war unter ihnen, still wie stets, nur dass er dieses Mal tot war. Ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt, sein Haar war versengt und seine glänzende Rüstung ganz schwarz.«
    » Aber ich dachte, das Drachenblut – er war doch unverwundbar!«, rief Mila.
    » Er hätte darauf vertrauen und seinen schweren Harnisch ablegen sollen, dann wäre er wohl nicht so jämmerlich ertrunken. Jedenfalls hob der Fluss auch den Stamm an, der meinen Flügel eingeklemmt hatte, ja, selbst mich trieb der reißende Strom davon, und ich sage dir, das ist nicht angenehm, wenn der Flügel gebrochen ist.«
    » Aber du lebst, und du bist hier!«, rief Mila glücklich.
    » Ja«, sagte Nabu und blickte sehr lange nach Osten. » Ich bin hier.«

Epilog

    Aus einem Brief des Fray Celso an Tomás de Berlanga, Bischof von Panama:
    (…) Die Arbeiten an der Kapelle gehen unterdessen kaum noch voran, denn die Indios sind unwillig. Viele in diesem Ort, den wir St. Christobal tauften, stammen aus ganz anderen Gegenden dieses Reiches. Offenbar haben die Inka sie nach Gutdünken verpflanzt, und nun, da ihre Herrschaft schwindet, streben ihre Untertanen heim. Überhaupt ist alles in Aufruhr. Selbst die Erde bebt, und aus der Ferne erreichen uns Nachrichten, dass lange ruhende Vulkane wieder ausgebrochen sind. Immer wieder kommen mir Gerüchte zu Ohren, Gerüchte über eine goldhaarige Göttin, die mit einem Drachen über den Bergen gesehen wurde, und es ist verwirrend, denn sie erscheint wohl an vielen Orten zur gleichen Zeit. Die Indios sehen das als Zeichen einer lange schon erwarteten Zeitenwende. Nun fallen immer mehr Stämme von Atahualpa, dem Sapay Inka, ab, und sie erklären offen, dass das Ende des Inkareiches gekommen ist. Sie kommen auch nicht mehr seiner Forderung nach, Gold und Silber zu seiner Auslösung zu schicken, und die Pizarros sind sehr erbost, weil in den Kammern, die sie bis zur Decke mit Schätzen gefüllt haben wollten, kaum der Boden bedeckt ist. Don Hernando, einer der wenigen Spanier, der von jenseits der Berge zurückkehrte, droht offen, Atahualpa zu töten, doch scheint das die Indios nicht mehr zu kümmern. Viel mehr als drohen können die Pizarros aber nicht, denn ihre Macht schwindet ebenfalls. Ihre eigenen Indio-Verbündeten wenden sich von ihnen ab und laufen in Scharen davon. Und mögen die Waffen der Spanier auch stark sein, so ist ihre Zahl doch zu gering, weitere Städte zu erobern, ja, es fällt ihnen schon schwer, die Orte, die sie besetzt haben, zu halten. Man sagt, dass der Kaiser, wie die Kurie in Rom, sehr unzufrieden mit dem Verlauf der Ereignisse ist. Schatzmeister de Paz soll die Expedition gar für gescheitert erklärt haben, und es heißt, dass die Pizarros, aber auch unser Bruder Pater Valverde nach Spanien zurückkehren sollen, um sich dort vor Gericht zu verantworten. (…)
    Fray Celso Gargia, San Christobal, 27. Februar 1533
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher