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Drachensturm

Titel: Drachensturm
Autoren: Torsten Fink
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hören.
    » Sie stellen sich taub«, rief der Hochmeister ungehalten.
    » Nicht mehr lange«, meinte Marduk und ging in einem schnellen Sinkflug nieder. Wieder war der Wind so gnädig, die Rufe des Jammers, die aus der brennenden Stadt aufstiegen, zu mildern.
    Mila wandte sich zu Dietmar um. » Was geschieht dort?«, rief sie.
    » Die Fischerboote. Der Schwarze Nergal und Behemoth stecken sie in Brand. Menschen sind dort, sie werden zurück in die Stadt getrieben.«
    Der Schwarze Nergal. Er war der einzige Drache, vor dem Mila sich fürchtete, denn ihn umwehte eine kalte Feindseligkeit, die er allen Menschen gegenüber zu hegen schien, selbst den Rittern des Ordens.
    Wieder brüllte Marduk, und der Zorn ließ seine Stimme beben. » Vorsicht«, rief ihr Onkel. Und dann war die donnernde Brandung plötzlich ganz nah. Sie waren zu tief. Mila roch nun tausend Gerüche, die vom Meer aufstiegen, von fremdem Sand, fremden Pflanzen, und dann glaubte sie sogar die Angst der Menschen zu riechen, die vor den feuerspeienden Drachen davonrannten.
    Jatunaq war als Erster gegangen, hatte wortlos seinen Schild und seinen schweren Streitkolben genommen und war mit einem knappen Nicken zum Palast des Statthalters aufgebrochen. Qupay war ihm nach einem kurzen Augenblick der Unentschlossenheit gefolgt. Inzwischen lief auch Kemaq durch die Straßen von Tikalaq zum westlichen Tor. Das Durcheinander war beträchtlich. Jene, die bisher nur von dem Brand gehört hatten, rannten hinaus, um ihn mit eigenen Augen zu sehen, und jene, die ihn schon gesehen hatten, strebten zum Tempel oder, wenn es ihr Amt verlangte, zum Palast des Curaca.
    » Die Hirten oben auf dem Berg haben es entdeckt«, erklärte einer, den Kemaq anhielt und fragte, wie sie von dem Feuer erfahren hatten. Als er die Stadt verließ, sah er auch Menschen mit Fackeln am Huaca, und dieses Mal schien niemand die Betenden vom Grabmal der Ahnen vertreiben zu wollen. Tikalaq lag auf einer schmalen Hochebene, der die Menschen mit viel Mühe das Notwendige zum Leben abrangen. Eine Kette von Bergen trennte sie von der westlichen Küste, und der Chanajirka war der höchste von ihnen. Kemaq sah etliche Menschen dort hinaufklettern und folgte ihnen. In der Dunkelheit war der Aufstieg schwierig, und Kemaq fragte sich wieder einmal, wie die Hirten es schafften, ihre Lamas hier hinaufzubringen. Als er endlich oben ankam, sah er viele Menschen, die in der Dunkelheit nach Südwesten starrten. Kemaq kletterte einen letzten steinigen Hang hinauf, um bessere Sicht zu haben, dann blieb er stehen, denn der Anblick verschlug ihm fast den Atem: Chan Chan, die große Stadt des Muschelvolks, stand in Flammen! Sie lag an der Küste und einige Stunden von den Bergen entfernt, aber es war eine sternklare Nacht, und die Sicht war gut. In Gedanken hatte Kemaq die Entfernung schon oft geschätzt: Ein Fußgänger würde neun oder zehn Stunden bis dorthin brauchen, die Läuferkette der Chaski überwand die Entfernung allerdings in nur dreien. Kemaq runzelte die Stirn. Etwas an diesem Brand kam ihm seltsam vor. Ein Nachbar auf der Hügelkette sprach es aus: » Ein eigenartiger Brand ist das. Sieh, es sind doch mehrere Feuer, an verschiedenen Stellen. Brennt es nicht auch dort, vor der Stadt, in der Wüste? Oder täuschen mich meine Augen?«
    » Sie täuschen dich nicht. Auch ich begreife es nicht. Dies ist kein Feuer, das auf natürliche Weise entstanden ist, denn wie sollte es so weit hinaus in die Wüste gelangen?«
    Neben ihm murmelte ein Mann leise vor sich hin, und Kemaq hörte deutlich das Wort Weissagung heraus. Auch die alte Mocto hatte etwas Ähnliches verlauten lassen, aber er hatte in der Aufregung vergessen, weiter nachzufragen. Jetzt wandte er sich an den Mann, der Tracht nach ein Sohn des Sonnenvolkes, und fragte ihn.
    Im Dunkeln konnte er die Züge des Mannes nicht erkennen, aber es klang sehr herablassend, als er antwortete: » Was ist das für eine Frage, Mann? Selbst die Männer des Steinvolkes sollten doch gehört haben, dass dies das Jahr des Pachakuti ist.«
    Kemaq verstummte verärgert. Pachakuti? Dieses Wort hatte er schon einmal gehört, aber er kannte die Bedeutung nicht. Er würde Qupay fragen, wenn er ihn traf. Weissagungen waren Sache der Priester. » Wann wurde das Feuer bemerkt?«, fragte er einen der anderen Männer in seiner Nähe.
    » Kurz nach Einbruch der Nacht, Freund«, lautete die Antwort. Kemaq rechnete nach. Es würde noch eine ganze Weile dauern, bis zuverlässige
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