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Drachensturm

Titel: Drachensturm
Autoren: Torsten Fink
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ist, verweigert er den Regen. Und Qupay hat Recht – Inti zürnte, weil Huáscar seinem Bruder Atahualpa sein Geburtsrecht verweigert hat. Deshalb die Trockenheit, deshalb die Seuche. Doch nun ist Huáscar gefangen, und der Krieg ist zu Ende. Also wird der Regen bald zurückkommen.«
    » Natürlich habe ich Recht«, sagte Qupay, der mit einer dampfenden Schale Maisbrei aus der Hütte kam. Als er die hungrigen Blicke seiner Brüder sah, schlich ein gänzlich würdeloses Grinsen über sein Gesicht. » Die Alte meint, es sei für den großen Helden unserer Gemeinschaft, und es sei an ihm, ob er seinen unnützen Brüdern davon abgeben will. Ich glaube wirklich, sie hat Maiskorn für Maiskorn für deine Wiederkehr zurückgelegt, großer Bruder.«
    Jatunaq ließ seinen Blick zwischen der Schale und seinen Brüdern hin und her schweifen. » Wirklich, ich war so lange fort, dass ich nicht mehr sicher weiß, ob ich Brüder habe«, scherzte er, aber dann teilte er doch.
    Kemaq brachte kurz darauf die leere Schale in die Hütte. Die alte Mocto hockte am Feuer und starrte hinein. Sie kümmerte sich um die drei Brüder, seit es dem Sapay Inka gefallen hatte, ihre Eltern in eine andere Stadt weit im Süden zu schicken. Kemaq bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen. » Wenn du willst, kann ich noch Wasser holen«, bot er an, als er die Schale abstellte.
    » Wenn ich auf dich warten würde, Läufer, wäre ich schon lange verdurstet«, lautete die grimmige Antwort. Dann erhob sich die Alte, griff nach einem Reisigbündel und begann, die Hütte auszukehren. Damit trieb sie Kemaq ziemlich unhöflich mit dem Staub hinaus.
    Als er wieder vor die Hütte trat, sahen ihn seine Brüder auf eine Weise an, die ihm verriet, dass sie über ihn gesprochen hatten.
    » Ich habe gehört, dass einer der Torläufer seinen Dienst bald aufgeben muss«, begann Jatunaq.
    » Er wird langsam zu alt«, gab Kemaq zu. Er ahnte, worauf das hinauslief.
    » Ich könnte ein gutes Wort für dich einlegen«, bot Qupay an, nicht zum ersten Mal.
    » Es gefällt mir dort, wo ich bin«, erklärte Kemaq. Es gefiel ihm wirklich. Ihm oblag ein Stück der Straße hinab Richtung Küste. Wenn er bergab lief, konnte er in der Ferne sogar die große Stadt Chan Chan erkennen. Es sah manchmal so aus, als läge sie zum Greifen nahe, als müsse er nur eine kleine Weile weiter laufen, um sie zu erreichen, aber in Wirklichkeit lagen noch viele Läuferhütten zwischen ihm und der Stadt am Meer. Die anderen Läufer stöhnten oft über die schwierige und kraftraubende Steigung der Straße, aber ihm machte das nichts aus. Und es war weit genug von Tikalaq entfernt, um Qupay nicht zu oft zu begegnen. Wäre er erst einmal Torläufer, dürfte – oder müsste – er jede Nacht in den Hütten seiner Gemeinschaft neben seinem Bruder und all den anderen unverheirateten jungen Burschen schlafen. Draußen waren nur die anderen Läufer, und das war ihm viel lieber.
    » Ich verstehe ja nicht viel von deinem Geschäft, kleiner Bruder, aber mir scheint die Strecke zum Tor doch auch viel leichter zu sein«, stimmte Jatunaq zu.
    Kemaq fragte sich, warum sich sein großer Bruder dem Standpunkt Qupays anschloss.
    » Du würdest in den Tempel und in den Palast des Statthalters kommen«, rief Qupay mit übertriebener Begeisterung.
    Offenbar hatte er keine Ahnung, dass sich sein jüngerer Bruder genau davor fürchtete. Es war eine Sache, eine Nachricht einem anderen Chaski weiterzusagen, aber mit dem Hohepriester oder gar Curaca zu sprechen, das war doch etwas ganz anderes.
    Kemaq schwieg verdrossen und lauschte in die Abenddämmerung. Die Zikaden waren verstummt, dafür drang der Lärm vieler Stimmen durch die Stadt. Irgendetwas schien vorgefallen zu sein, etwas, das die Feldarbeiter daran hinderte, zu den Hütten ihrer Gemeinschaft zurückzukehren.
    Qupay schien die Unruhe in den Straßen nicht zu bemerken, denn er fuhr fort: » Jedenfalls habe ich gerade gestern den Meister der Chaski im Tempel getroffen. Es ist durchaus möglich, dass der Glanz deiner Brüder schon sehr bald auf dich abfärbt, kleiner Bruder.« Qupay setzte ein sehr selbstzufrieden wirkendes Lächeln auf.
    Kemaq starrte ihn entgeistert an. » Was hast du denn gesagt?«, entfuhr es ihm.
    » Ich fände es viel wichtiger, zu erfahren, was der Meister geantwortet hat«, meinte Jatunaq.
    » Kemaq sei der schnellste Läufer der Stadt, hat er gesagt. Und er habe ihn schon im Sinn, wenn es um höhere Aufgaben und wichtigere Strecken ginge«,
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