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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman
Autoren: Blessing <Deutschland>
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Paul ging zum Kopfende, sie war bei Bewusstsein, kleine Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, sie griff nach seiner Hand. Noch nie hatte er sie so schön lächeln sehen.
    Dann stand plötzlich der Gynäkologe neben ihnen. Es täte ihm sehr leid. Schwer zu erklären. Ihr Kind hatte ein Geschwisterchen gehabt. Ob Junge oder Mädchen, ob ein- oder zweieiige Zwillinge, das war auf die Schnelle nicht festzustellen. Sie hatten die Überreste soeben bei der Nachgeburt im Mutterkuchen gefunden. Erstaunlich, dass man es bei früheren Untersuchungen übersehen hatte, aber so etwas kam vor. Das zweite Kind musste früh, nach einigen Wochen schon, gestorben sein. Vermutlich war es krank gewesen. Vielleicht hatte der Körper der Mutter aber auch nur eines nähren können und deshalb das andere abgestoßen. So gesehen, wurde das eine Kind geopfert, damit das andere leben konnte. Vielleicht war das ein Trost.
    Sie werden Leben verlieren.
    Â»Ist unser Sohn gesund?«, fragte Paul.
    Â»Ja natürlich, dem geht es gut«, antwortete der Arzt verwundert, weil dieser Mann sich fortwährend Sorgen machte. Er brachte ihn zu einem Tisch, an dem eine Hebamme das Baby wog und maß.
    Paul betrachtete mit rasendem Herzen den nackten, blutverschmierten Körper. Die blasse, an manchen Stellen fast bläuliche Haut. Die verschrumpelten Händchen. Den großen Mund, die zusammengekniffenen Augen. Ein dreitausenddreihundertdreiunddreißig Gramm schweres, neunundvierzig Zentimeter langes Wunder, verletzlich und fragil. Die
Krankenschwester prüfte die Körpertemperatur, umhüllte das Kind anschließend mit einem Handtuch und legte es Paul in die Arme. Wie leicht es war. Und klein. Der Kopf fand Platz in der Hand des Vaters.
    Â»Wenn Sie möchten, waschen wir Ihr Kind erst einmal zusammen«, sagte die Schwester und führte ihn in einen anderen Raum, ließ Wasser in eine Plastikwanne laufen, regulierte es mehrfach, bis es die richtige Temperatur besaß. »Ist es Ihr erstes?«, fragte sie.
    Paul war nicht fähig, etwas zu erwidern, und schüttelte den Kopf.
    Â»Dann muss ich Ihnen ja nichts zeigen.«
    Sie half ihm, seinen schreienden Sohn aus dem Handtuch zu wickeln, und beobachtete, wie Paul ihn sich bäuchlings über die rechte Hand legte und langsam, mit den Füßen zuerst, ins Wasser tauchte.
    Bei Justin hatte es noch die Krankenschwester gemacht, doch Paul hatte jede Bewegung genau registriert. Die Erinnerung, lange verblasst, war plötzlich wieder lebendig.
    Mit der linken Hand ließ er Wasser über den kleinen Körper tröpfeln und wusch den Rücken, die Ärmchen und Beinchen.
    Eine Handvoll Leben.
    Das warme Wasser beruhigte den Jungen, das wütende, protestierende Brüllen verstummte allmählich.
    Paul bettete ihn auf ein Handtuch, trocknete den kleinen Körper vorsichtig ab, windelte ihn. Zum ersten Mal öffnete sein Sohn die Augen und blickte ihn an. Er hatte die schwarzen Haare seiner Mutter und die tiefblauen Augen von ihm.
    Â»Hat er schon einen Namen?«, fragte die Hebamme.
    Paul nickte. »David.«
    Â»Keinen chinesischen?«

    Â»Noch nicht. Wir wollen einen Astrologen um Rat fragen.«
    Â»Er wird gleich Hunger bekommen, kommen Sie, wir bringen ihn zu Ihrer Frau.«
    Paul schlug ihn in eine blauweiß gestreifte Decke und trug ihn mit leichten Schritten über den Flur.
    Christine lag allein in einem Zweibettzimmer. Sie sah blass aus, aber ihre Augen leuchteten, als sie sie kommen sah.
    Â»Ihr Sohn braucht Sie«, sagte die Hebamme und legte ihn auf Christines Brust. Es dauerte nur wenige Sekunden, und er begann zu trinken.
    Christines Blick ging zwischen ihrem Kind und ihrem Mann hin und her. »Woran denkst du?«
    Â»Was stellst du denn für Fragen?«, wunderte sich Paul.
    Â»Ich möchte nur wissen, wie du dich fühlst«, sagte sie und versuchte ein Grinsen.
    Paul verstand und lächelte zurück. »Du bist viel westlicher, als ich dachte.«
    Ihn überkam eine grenzenlose Müdigkeit, und er spürte Schmerzen am ganzen Körper, besonders am Hinterkopf. Er strich sich durch die Haare und hatte verkrustetes Blut an den Fingern. »Meinst du, ich kann mich im anderen Bett ein wenig ausruhen?«
    Â»Komm zu uns«, sagte sie.
    Er blickte zweifelnd auf das schmale Bett. »Ist da noch Platz?«
    Â»Für dich schon«, erwiderte Christine und rückte mühsam ein wenig
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