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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman
Autoren: Blessing <Deutschland>
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batest mich zu wiederholen, was ich gesagt habe. Sssssscccccchhhhhh…… Sssssscccccchhhhhh….. Sssssscccccchhhhhh. Mehr wollte mir nicht gelingen, egal, wie oft ich es noch versuchte. Ich war ein Sssssscccccchhhhh geworden. Für ein paar Stunden nur. Dann hat mich die Lautlosigkeit endgültig gefangen genommen und abgeführt. Geblieben ist das Gurgeln, Röcheln und Grunzen, das ich zuweilen von mir gebe. Was für eine Qual für mich, die die menschliche Stimme so liebt.
    Jetzt liegt mir die Zunge nutzlos im Mund wie ein alter verfaulter Dumpling. Die Lippen sind taub. Aber ich spüre deinen warmen Atem auf meiner Wange, wenn du mich am Abend vorsichtig küsst. Der unverwechselbare Atem meines alten, geliebten Mannes. Der Atem unseres gelebten Lebens.
    Am schlimmsten sind die Nächte, auch wenn ich längst von Dunkelheit umgeben bin. Es ist die äußere Stille, die ich schlecht ertrage. Das Haus, das Dorf, sie klingen plötzlich nicht mehr.
In der Ferne höre ich vereinzelt einen Lastwagen. Hin und wieder bellt ein Hund. Die Katzen sind schon lange tot. In den Stunden nach Mitternacht ist es nur noch dein Luftholen, was mich mit dem Rest der Welt verbindet.
    Sie wollen dir einreden, ich sei nur noch eine leere Hülle. Eine alte, faltige, seelenlose Puppe. Sie lassen sich vom äußeren Erscheinen der Dinge blenden. Wie so oft. Wie so viele. Sie tragen Uniformen, weiße Kittel, ich weiß es, auch wenn ich sie nicht sehe. Ich erkenne sie an ihren Stimmen. Die Stimmen von Uniformträgern, egal welcher Couleur, klingen immer gleich. Sie wissen. Sie sind sich sicher. Alle Tests beweisen. Hoffnungslos. Sie haben keine Ahnung, wovon sie reden. Ich höre kein Beben in ihren Stimmen. Hoffnungslos. Kein Mensch, der dieses Wort gelassen ausspricht, weiß, was er sagt. Ein Los ohne Hoffnung. Das gibt es nur im Reich der Toten, und das ist uns verschlossen. Was mussten wir uns in unserem Leben schon alles von Männern und Frauen in Uniformen anhören. Glaube ihnen kein Wort. Sie wissen nichts. Sie sehen nur ein schwarzes Loch, wenn sie die Augen schließen. Sie haben keine Musik im Kopf.
    Niemand soll mich bemitleiden. Ich will keine Tränen an meinem Bett. Ich will mich nicht beklagen. Nicht, solange du bei mir bist. Wenn ich es recht bedenke, bin ich nur in einen Vorhof der Hölle geraten. Die Hölle der Lebenden ist einsamen Menschen vorbehalten. Zu denen zähle ich nicht.
    Nicht, solange ich am Abend deinen Atem spüre.

I
    Du bist ein liebeshungriger Mensch.
    Es war das erste Mal, dass er diesen Satz von einer Frau hörte. Liebeshungrig. Er wusste nicht, ob das eine Klage oder ein Kompliment sein sollte. Sind wir das nicht alle?, antwortete er, ohne darüber lange nachzudenken.
    Sie lächelte. Manche mehr, manche weniger.
    Und ich? Mehr oder weniger?
    Mehr. Mehrmehrmehr.
    Er nahm sie in den Arm. Diesen schmächtigen Körper, den er manchmal zu zerdrücken fürchtete. Der ihn aufregen konnte, ihn in langen, schlaflosen Nächten um den Verstand brachte wie zuvor kein anderer in seinem Leben. Er atmete tief ein und schloss die Augen.
    Mehr. Mehrmehrmehr.
    Liebeshungrig. Es hat Menschen in seinem Leben gegeben, die hätten ihn mit diesem Wort verletzen wollen. Und Zeiten, in denen ihnen das gelungen wäre. Er hätte die Behauptung als Affront empfunden und als eine geradezu absurde Unterstellung zurückgewiesen.
    Heute nicht. Obgleich die Worte Hunger und Liebe in seinem Kopf nicht zusammenpassen wollten. Liebe klang für ihn, zumindest mit Christine im Arm, nach Reichtum, Glück, Erfüllung. Hunger hingegen war eine Not. Hunger musste gestillt werden, notfalls um jeden Preis. Hunger kannte nur sich, Liebe nur den anderen. Hungrige Menschen waren schwach, Liebende stark. Wenn Hunger und Liebe etwas verband, war es die Maßlosigkeit, die in beidem steckte.
    Er fragte, wie es gemeint war. Ob er es als Beschwerde oder Schmeichelei verstehen dürfe.
    Weder noch, antwortete sie. Nur als Feststellung.
    Dabei beließen sie es. Zunächst.

    Vielleicht, dachte er, hatte sie Recht. Vielleicht hatten die vergangenen drei Jahre tiefere Spuren hinterlassen, als ihm bewusst war. Drei Jahre, in denen er sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als allein zu sein. Drei Jahre, in denen ein Tag, an dem er mit keinem Menschen ein Wort gewechselt hatte, ein guter Tag gewesen war. Eine Zeit, in der seine Welt auf die Größe eines Hauses
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