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Drachenglut

Titel: Drachenglut
Autoren: Jonathan Stroud
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lagen.
    Überall herrschte Röte. Alles um ihn herum bran n te – die Bäume, die Felsen, die Erde, der Himmel. Obwohl seine Augen fest geschlossen waren, setzte die Hitze der lodernden Welt auch sie in Brand.
    Aber als er fürchtete, dass bald sein ganzes G e sicht verbrennen könnte, ließ die schreckliche Hitze nach, und er öffnete die Augen. Er sah einen Hi m mel, an dem ein wilder Sonnenuntergang wütete, der die ganze Welt in Brand zu stecken schien. Dunkle Schatten kreisten jenseits der Wolken. Der Geruch nach Chemikalien und Höhlenwasser stach in seine Haut, und er vernahm das Geräusch von Gold, das tief im Innern der Berge schmolz. Im Mund hatte er den Geschmack von geschmiedetem Eisen.
    Es war, als vergingen Tage und Nächte, die Sonne bewegte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit, und über die unbekannte Landschaft legten sich Streifen aus Licht und Finsternis, während seine Augen und die Augen der dunklen, huschenden Schatten über ihm mit starrem Blick zuschauten.
     
    Ihm war, als bewegte er sich m it blitzartiger G e schwindigkeit,
    u nd er befand sich an einem anderen Ort,
    w o hohe Säulen aufragten,
    u nd winzige Wesen rannten, schrien, huschten
    u nd ließen das Gold auf dem Marmorboden expl o dieren n eben seinen hera b sinkenden Klauen.
     
    Noch eine Bewegung, und jetzt
    s tockfinstere Dunkelheit, und er ist ein Teil d a von.
    Ein roter Schimmer auf einem nassen Steinfußb o den,
    e in Atemzug d er ganz langsam erlischt.
    Und jetzt
     
    Der blaue Himmel wurde gegen Abend heller und der Wind frischte auf und blies aus südöstlicher Richtung von Fordrace und dem Russet-Wald über die Hügelkuppe. Das verglühende Sonnenlicht gli t zerte auf der Seifenblasenkuppel, und die Eidechsen lagen in einem vollkommenen Kreis, immer Kopf an Schwanz, innen am Rand der Blase und zuckten u n ruhig.
    Dann wurde die Blase von einem stärkeren Win d stoß erfasst. Sie stieg höher und höher und wurde schließlich nach Westen geweht, in Richtung Little Chetton und der untergehenden Sonne. Die Eidec h sen huschten davon, die Asche wurde vom Wind verstreut, und nur der Junge war geblieben und schlief im Gras, mit blutroten Schwellungen auf den Lidern und Wangen und bleicher als der Tod.
    Fünfzehn Minuten später traf eine kühlere Brise sein Gesicht und Michael erwachte.

 
     
    2
     
    Pfarrer Tom Aubrey war ein viel beschäftigter Mann. Noch vor Anbruch des Abends musste er eine Si t zung des Kirchengemeinderats leiten, am Kaffe e kränzchen des Frauenvereins teilnehmen und die u n dichten Rohre in der Jungenstoilette der Sonntag s schule inspizieren. Weil er so schwitzte, freute er sich auf keine dieser Aufgaben. Das lag ganz schlicht da r an, dass heiße Sommer und steife Pfarrerskragen nicht zusammenpassen. Der enge weiße Kragen schnürte ihm die Kehle zu und wirkte in doppelter Hinsicht wie eine Falle: Der Schweiß tropfte von o ben darauf, und die aufsteigende Körperhitze fand keinen Au s gang. Der Kragen kniff und juckte und wurde zum Ärger von Pfarrer Aubrey immer viel zu schnell schmutzig.
    Er saß in seinem Sessel in dem kleinen weißen Büro hinter der Sakristei und kratzte sich äußerst sorgfältig im Nacken. Vor ihm auf dem Schreibtisch starrte ihn ein hoher Stapel von kirchlichen Run d briefen anklagend an und wollte gelesen werden. Sein Blick glitt zur obersten Seite und wurde dabei glasig. Durch die Spalten der Jalousie hinter ihm drangen zusammen mit den Sonnenstrahlen die Stimmen der Arbeiter auf dem Kirchhof, der Lärm ihrer Radios und das Geräusch ihrer Spaten.
    Pfarrer Aubrey seufzte und aus dem Seufzer wu r de ein Gähnen.
    Es blieb nur noch eine halbe Stunde bis zum B e ginn der Sitzung mit dem Finanzausschuss der Ki r chengemeinde, und er musste noch die Anmerku n gen des Küsters dazu lesen. Widerstrebend blätterte er in den Papieren und suchte nach dem Bericht. D a bei hob er zufällig seine Augen ein wenig höher und erhaschte einen Blick auf sein Spiegelbild im Bür o spiegel, einge r ahmt von den Garderobenhaken mit den Soutanen und Talaren, die er nur selten trug. Er betrachtete sein Spiegelbild und fragte sich, was S a rah wohl denken würde, wenn sie ihn jetzt sehen könnte.
    Sah er gut aus? Vielleicht.
    Verstrubbelt? Bestimmt.
    Brauchte er dringend eine Dusche und frische Klamotten? Aber klar.
    Es klopfte an der Tür.
    Pfarrer Aubrey senkte den Kopf und beschäftigte sich mit dem zuoberst liegenden Papier.
    »Herein!«, rief er, als wäre er gerade sehr beschä f
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