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Drachenglut

Titel: Drachenglut
Autoren: Jonathan Stroud
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hämmerte in seinen Schläfen und hinter seinen Augäpfeln wie e i ne Meeresbrandung. Dann bedeckte er die Augen mit den Handflächen und versuchte, eines zu öffnen.
    Der Schmerz war so heftig, dass er aufschrie und fast gestürzt wäre. Stattdessen musste er sich wieder übergeben, was den Schmerz besänftigte, doch nun stieg Verzweiflung in ihm hoch.
    Oh nein, dachte er, wenn ich nicht sehen kann, finde ich nicht den Weg aus der Senke, aus dem Pit. Und dann kann ich nicht den Hügel runtersteigen. Vielleicht erblinde ich! Vielleicht bin ich schon blind! Seine Brust verengte sich und sein Magen krampfte sich zusammen. Aber das macht nichts, dachte er, ich kann sowieso nicht nach Hause und baden, deshalb ist alles zu Ende.
    Bei der Vorstellung von dem unerreichbaren Bad wurde Michael von Kummer überwältigt. Er beugte sich nach vorn, umklammerte mit den Händen seine Knie und fing an zu weinen. Die Tränenflut ve r schaffte seinen Augen die erste Erleichterung seit dem Aufwachen. Das Salzwasser spülte seine Lider, wodurch sie gleichzeitig brannten und abkühlten.
    Ein leises wütendes Zischen ertönte, als würde ein heißer Topf in Spülwasser getunkt. Michael spürte, wie ihm heiße Tränen über die Wangen liefen und wie zwischen seinen zusammengekniffenen Lidern zu beiden Seiten seines Kopfes heiße Luft aufstieg.
    Kein Zweifel – seine Augen dampften.
    »Herrje«, stöhnte Michael. »Wassissen nur mimi r los?«

 
    4
     
    Für Stephen McIntyre war der Tag ab dem Frü h stück mies und immer mieser gelaufen.
    Der Grund dafür war die Laune seiner Schwester. Die hatte sich wie ein verrückt spielendes Therm o meter von sonnigsten Aussichten zu trübseligster Düsternis gewandelt. Und mittlerweile standen alle Anzeichen auf Sturm.
    Am Morgen war sie noch ein großzügiger Engel gewesen. Sie hatte Frühstück gemacht, was selten vorkam, und hatte auch Blutwurst gedeckt, was noch seltener passierte. Während sie aßen, hatte sie frö h lich geschwatzt, ohne das leiseste Anzeichen von dem, was Stephen ihre »Märtyrer-Miene« nannte. Dann war sie aufgestanden, ohne auch nur einmal auf den Abwasch hinzuweisen, was Stephen und Mich a el so verwundert hatte, dass sie ihn automatisch erl e digten. Doch während des Vormittags hatte sich dann alles geändert. Zunächst hatte Sarah ihr Heuschnu p fen wieder schwer zu schaffen gemacht und ihr die Laune verdorben. Dann hatte sie zwischen ihren Niesanfällen die Immobilienfirma angerufen und e i ne angespannte Unterhaltung mit ihrem Chef geführt, nach der sie vor Zorn glühte. Danach hatte sie Info r mationsmaterial über ein Anwesen in einem Tal nördlich des Wirrim für ihren neuen Kunden berei t gelegt. Um zehn war sie losgefahren, um die Schlü s sel zu holen und die Besichtigung zu machen. Als sie um halb zwölf zurückkehrte, hatte sie rabenschwarze Laune, weil die Besichtigung schiefgelaufen war. Inzwischen war ihr Heuschnupfen schlimmer denn je zuvor. Dann brüllte sie Michael an, weil er seine Turnschuhe auf den Küchentisch gelegt hatte, und Stephen, weil er zum falschen Zeitpunkt reinplatzte und sich nach dem Mittagessen erkundigte.
    »Ich wollte doch nur wissen, ob du auch hungrig bist«, hatte Stephen protestiert.
    »Damit ich was zu essen für dich mache, wenn ich schon mal dabei bin«, brüllte Sarah.
    »Eigentlich wollte ich was für dich kochen«, erklä r te Stephen freundlich und nicht ganz wahrheit s gemäß.
    »Aber jetzt will er nicht mehr«, sagte Michael vorausahnend.
    »Ich bin sowieso nicht hungrig«, sagte Sarah, mit den Nerven völlig am Ende.
    »Auch gut«, meinte Stephen. »Wie lief’s mit dem Haus?«
    Ihm war sofort klar, dass das die falsche Frage gewesen war. Seine Schwester explodierte prompt, und als der Ausbruch vorbei war, sprachen sie alle drei nicht mehr miteinander.
    Sarah aß dann auf ihrem Zimmer.
    Als sie danach wieder auftauchte, hatte sie etwas anzukündigen.
    »Tom kommt zum Abendessen.« Es hörte sich wie eine Herausforderung an. »Macht also bloß keine Unordnung.«
    »Na klar«, sagte Stephen.
    »Der Papst«, sagte Michael. »Dann lasst uns mal beten.«
    »Halt die Klappe«, sagte Sarah. »Wenn es dir nicht passt, kannst du ja weggehen.«
    Nachdem die Tür mit einem Knall ins Schloss g e fallen war, saßen Michael und Stephen einen Auge n blick lang nachdenklich schweigend da.
    Schließlich sagte Michael: »Sie hat recht. Der Tag ist zu schön, um hier drin zu braten. Ich geh hoch auf den Wirrim. Bis später.«
    Dann war
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