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Drachenglut

Titel: Drachenglut
Autoren: Jonathan Stroud
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er mit ein paar Äpfeln und einem R o man aus dem Regal ihrer Großmutter losgezogen. Für eine sittsame alte Dame hatte sie eine unübliche Vorliebe für das gehegt, was sie ›gewagte Geschic h ten‹ nannte. Zuerst hatte sich Stephen und dann M i chael an der Sammlung bedient, was ihre Großmutter sicherlich überrascht hätte.
    Stephen war während des heißen Nachmittags zu Hause geblieben, bis Sarah plötzlich mit Staubsa u gen loslegte. Das war zu viel gewesen. Das nervige Geräusch und die bedrückende Atmosphäre hatten ihn schließlich auch aus dem Haus getrieben und er hatte sich auf sein Fahrrad geschwungen.
    Draußen stieg die Sommerhitze vom Garten auf und schwebte in flimmerndem Dunst vor den mäc h tigen Buchen und der Lorbeerhecke.
    Stephens Armbanduhr zeigte halb sechs.
    Michael wurde oben auf dem Wirrim inzwischen bestimmt zu einer Fritte gebraten, falls er nicht so schlau gewesen und im Schatten geblieben war – a ber das hielt Stephen für unwahrscheinlich. Für e i nen kurzen Moment war er versucht, der Straße nach rechts bis zu dem schmalen Pfad zu folgen, der in steilen Kurven zu den Steinbrüchen unterhalb des Wirrim führte, aber die drückende Hitze lastete zu schwer auf ihm. Viel zu anstrengend, dachte St e phen, als er die Richtung nach Fordrace einschlug.
     
    Die Häuser von Fordrace scharten sich um einen großen Dorfanger, an dem zu allen Jahreszeiten – sogar im Hochsommer – ein ziemlich großer Bach vorbeifloss, der von den Quellwassern des Wirrim g e speist wurde. Im Norden lag ein dichter Buchen- und Eichenwald, den die Einheimischen den Russet nan n ten und der sich bis zum Ausläufer des Wirrim hinaufzog. Im Osten und Süden lag altes Acke r land, auf dem jetzt hoch der Weizen stand. Das Dorf selbst hatte sich in den vergangenen Jahrhunderten nur wenig vergrößert. Bis auf den schmalen Stre i fen von dicht aneinandergedrängten Backsteinhä u sern hinter dem Gasthaus hatte es sein mittelalterl i ches Auss e hen beibehalten. Die Backsteinhäuser waren in den frühen Achtzigern erbaut worden und galten inzwischen als Bausünde. Die Kirche von St. Wyndham ragte hinter dem Anger auf, an dem a u ßerdem die »Alte Mühle« (jetzt ein Cafe) lag und der alte Mühlenteich mitsamt seinem Schwarm von hübschen, gut gefü t terten Enten. Sonst gab es am Anger noch die Schule aus dem 19. Jahrhundert, eine kleine Dorfbi b liothek und zwei Tante-Emma-Läden.
    Stephen kannte sich hier gut aus, ohne sich jedoch richtig heimisch zu fühlen. Als kleiner Junge hatte er hier oft seine Großmutter besucht, und aus diesen längst vergangenen Tagen waren Erinnerungen g e blieben: der Tante Emma-Laden (besondern die Bonbongläser), die Enten und die staubige Lang e weile der unvermeidlichen Sonntagmorgengotte s dienste. Aber dann waren seine Eltern in den Norden umgezogen und hatten Stephen und Michael mitg e nommen und ihre Besuche in Fordrace hatten fast aufgehört.
    Sarah war nicht mitgezogen. Sie hatte lieber bei der Großmutter wohnen wollen und sich um sie g e kümmert, als Oma krank wurde. Später hatte sie dann den Job bei der Immobilienfirma gefunden.
    Stephen konnte sich noch gut daran erinnern, wie glücklich Sarah über ihre Unabhängigkeit gewesen war.
    Und jetzt hast du uns wieder am Hals, dachte er, als er den Hügel runterradelte. Das freut dich aber!
    Stephen lehnte das Rad an den hölzernen Wegwe i ser am Rand des Angers. Ohne festes Ziel wanderte er über die große Wiese, wich ein paar brüllenden Kleinkindern und deren schwitzenden Eltern aus und erreichte dann den einen Tante-Emma-Laden von Mr Pilate.
    Das kühle Innere lockte.
    »Ja, mein Herr, was kann ich für Sie tun?«
    Mr Pilate gehörte zu den Ladenbesitzern, die sich ihre Kunden genauso tüchtig wünschten, wie sie se l ber waren. Die drei Wände seines Ladens schwan k ten fast unter den deckenhohen Regalen voller D o sen und Gläser und Schachteln, die alle mit höchster Sorgfalt geordnet und ausgestellt waren. Der Laden erinnerte Stephen mit seiner Kühle und Düsternis an Bilder von ägyptischen Tempeln, wobei die Türme von Suppen- und Würstchendosen wie mit Hier o glyphen verzierte Säulen in der Dunkelheit aufra g ten.
    Stephen wählte spontan etwas aus.
    Mr Pilate griff mit blinder Sicherheit hinter sich und holte die Schokolade und die Dose aus der Küh l truhe, während er Stephen anlächelte, als wartete er auf die eigentliche Bestellung, die sich erst für ihn lohnen würde.
    »Noch etwas?«, fragte er,
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