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Dornen der Leidenschaft

Dornen der Leidenschaft

Titel: Dornen der Leidenschaft
Autoren: Ma2
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Aurora. »Sag es mir schnell, bitte!« bat sie sehr gespannt.
    »Silencio, Aurora.« Doña Gitana hob warnend eine Hand. »Du plapperst wie ein Papagei, niña, und störst meine Konzentration. Zum Kartenlesen braucht man Zeit.«
    Aurora schwieg gehorsam, beugte sich aber gespannt nach vorn. Heute abend – heute abend würde sie erfahren, was die Zukunft ihr bringen würde.
    Ihre Großmutter schaute sie nachdenklich an und seufzte. Das lange, blauschwarze Haar des Mädchens glänzte und bildete einen starken Kontrast zu ihrer blassen, zartrosa überhauchten Haut. Ihre schwarzen Augenbrauen spannten sich im schön geschwungenen Bogen über ihre dunkelblauen Augen, die von dichten, seidigen Wimpern beschattet waren. Sie hatte eine feine, klassische Nase und einen von Natur aus dunkelroten, schön geschwungenen Mund. Leuten, die sie nicht kannten, kam sie manchmal unbeteiligt und kühl vor – abweisend, würden unsensible Menschen sogar sagen. Aber Doña Gitana war eine weise alte Frau, sie hatte schon oft ihrer Enkelin tief in die Augen geblickt und dort schwelende Leidenschaft entdeckt, die das junge Mädchen immer zu verbergen suchte. Doña Gitana nickte zufrieden und murmelte wieder vor sich hin. Si … Das war der Mann, der die Leidenschaft in Aurora zum Brennen bringen würde. Doña Gitana legte eine Karte auf den Tisch und fing dann an, langsam zu sprechen.
    »Ich sehe … eine lang vergangene Zeit«, sagte sie zögernd, »die Zeit einer großen Liebe, die nicht ausgelebt werden konnte, die aber auch nie vergessen wurde. Eine Liebe, die so groß ist wie eine goldene Glocke, die die Kraft hat, durch alle Zeiten hindurch zu läuten …
    Jahrhunderte vergehen. Ich sehe Verrat und Gefahr, eine Reise über das große Meer, um zu fliehen –«
     
    »Eine Reise! Aber … wohin?« rief Aurora verwirrt. Sie konnte sich nicht vorstellen, Spanien jemals zu verlassen, und verstand nichts von den rätselhaften Worten ihrer Großmutter.
    »Silencio! « warnte Doña Gitana wieder. Dann meinte sie: »Ich sehe einen Neubeginn in der Neuen Welt, einer Welt, die sich sehr von unserer unterscheidet. Es ist ein dunkler und wilder Ort, ein Dschungel! Si, es ist ein Dschungel, durch den sich ein breiter, endlos langer Fluß windet. Ich sehe ein Grab – nein. Es ist ein Haus … ein merkwürdiges weißes Herrenhaus, wie du noch keines gesehen hast. Da ist ein Mann –«
    »Sag es mir! Wie sieht er aus?« stieß Aurora hervor, weil sie ihre Ungeduld nicht mehr zügeln konnte.
    Wenn es der Mann aus ihren Träumen war, mußte sie es jetzt erfahren.
    »Er ist dunkelhaarig und kräftig. Er umarmt eine Frau, und er hat einen Degen in der Hand.«
    »Bin ich diese Frau? Verteidigt er mich, dieser Mann?«
    »Er versucht die Frau vor einem anderen Mann zu beschützen, einem Mann, dessen Gesicht von einer häßlichen Narbe entstellt ist. Es wird kälter. Ein Nebel kommt auf. Es ist dunkel, so dunkel. Es ist, als ob ich blind wäre … blind … die Luft ist so dünn. Nein, es ist gar keine Luft da. Es ist keine Luft da.« Doña Gitana griff sich plötzlich an die Kehle. »Keine Luft! Ich kann – ich kann nicht mehr atmen …«
    »Abuela! « rief Aurora und sprang auf, als ihre Großmutter über den Tisch fiel. »Abuela! «
    Das junge Mädchen rief um Hilfe und durchsuchte die Taschen ihrer Großmutter nach dem Riechsalz. Schließlich fand sie das kleine Fläschchen, öffnete es und hielt es ihrer Großmutter unter die Nase. Zu ihrer Erleichterung hörte sie Schritte, die schnell näher kamen. Die Tür wurde aufgerissen, und ihre Eltern stürzten ins Zimmer.
    »Aurora! Was ist los?« rief Don Felipe besorgt aus. Seine Frau goß Wasser aus einem Krug in eine Schüssel, feuchtete ihr Taschentuch an und begann, Doña Gitana das Gesicht abzuwischen.
    »Ich – ich weiß es nicht. Sie hat mir die Karten gelesen, und plötzlich bekam sie keine Luft mehr. Sie griff sich an die Kehle und –«
    »Ach, Felipe, vielleicht ist es das Herz«, rief Doña Ynez ängstlich. »Ich rufe den Arzt.«
    »Sí, er soll sofort kommen!« rief Felipe hinter seiner Frau her.
    »Ach, padre. Glaubst du, daß sie es überlebt?« schluchzte Aurora.
    »Aber natürlich«, sagte Doña Gitana, öffnete die Augen und versuchte, sich zu erheben. »Ich bin eine geborene de Navarra, unsere Familie gibt sich nicht so schnell geschlagen.«
    »Abuela! « rief Aurora glücklich aus.
    »Hast du Schmerzen?« fragte Felipe, als seine Mutter das Gesicht verzog. »Ruh dich aus«, befahl er.
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