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Dornen der Leidenschaft

Dornen der Leidenschaft

Titel: Dornen der Leidenschaft
Autoren: Ma2
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Schulter nahmen. Sie gingen zum Herrenhaus, um die Wahrheit herauszufinden.
    Sie waren geblendet von der Schönheit von Esplendor, wie Santiago sein Haus genannt hatte. Es stand auf einer kleinen Anhöhe und war fast vollständig aus edlem importierten Marmor gebaut, das dem tropischen Klima am besten standhalten konnte. Das Haus erhob sich wie ein leuchtendes weißes Juwel aus dem wild wuchernden Dschungel. Niemand hatte jemals etwas so Wunderbares gesehen.
    Das zweistöckige Hauptgebäude wurde von zwei mächtigen Ecktürmen bewacht. Einstöckige Seitenflügel mit kleineren Türmen fügten sich malerisch in die großzügige Anlage ein. In der Mitte des Haupthauses erhob sich eine zwiebelförmige Kuppel, in der eine Glocke aus massivem Gold hing, die jeden Morgen und jeden Abend das Angelus läutete.
    Die Glocke klang merkwürdig, man konnte den Ton nicht mehr vergessen, wenn man ihn einmal gehört hatte. Es klang so, als ob sie weinend flüsterte: »Querida, qiterida« .
    Viele Männer, die Santiago seines Reichtums berauben wollten, flohen entsetzt und kamen nie wieder, als sie den dunkel klingenden Ton der Angelusglocke hörten. Sie waren sich ganz sicher, daß Unheil über sie kommen würde, wenn sie den Hausherrn ausrauben würden. Andere waren mutiger, und Santiago sah sich gezwungen, sich und sein Haus mit seinem Schwert gegen sie zu verteidigen.
    Nach jedem Kampf seufzte er, schüttelte den Kopf und empfand Mitleid für die Männer, die nichts als die Gier nach Gold kannten. Dann ging er zurück in sein Arbeitszimmer, wo das liebste Andenken an Arabela stand: eine wunderschöne kleine Uhr, die jede volle Stunde eine traurige Melodie spielte, die ihn an seine Liebste erinnerte.
    Und so zogen die Jahre ins Land, und es gab immer mehr Geschichten über den alternden, inzwischen grauhaarig gewordenen Verrückten von Esplendor. Manche Menschen behaupteten, daß er die alten Inkagötter verärgert hätte und daß jetzt ein Fluch auf ihm läge, weil er die vergoldete Stadt El Dorado ausgeraubt hatte. Andere behaupteten, daß nicht ein Fluch auf Santiago läge, sondern auf dem geraubten Goldschatz. Wer ihn berührte, würde verrückt werden oder sterben müssen. Es wurde gesagt, daß er seine Schätze vergraben hätte, tief in der Erde seiner Plantage im Dschungel, und daß er eine Karte, auf der der Vergrabungsort genau eingezeichnet sei, irgendwo in seinem Herrenhaus versteckt hätte, in der Hoffnung, daß die Götter eines Tages ihren Fluch vergessen würden und er dann seinen Reichtum genießen könnte. Andere behaupteten, daß er nicht die Reichtümer, sondern die Karte vergraben hätte, auf der der Weg nach El Dorado verzeichnet sei. Immer wieder würde er dorthin zurückkehren, um neue Schätze zu holen – dabei hatte niemand ihn jemals Esplendor verlassen sehen.
    Immer neue, abergläubische Geschichten erzählte man sich. Eines Tages kamen sie einer Gruppe geldgieriger Söldner zu Ohren, die für jeden kämpften, der sie bezahlte. Da sie gerade arbeitslos waren, brachen sie spät abends in Santiagos Haus ein. Obwohl er sich mit allen Kräften verteidigte, überwältigten sie ihn und schlugen ihn gnadenlos nieder, um ihm sein Geheimnis zu entlocken.
    »Nehmt Euch, was Ihr wollt«, sagte er. »Ich habe nichts als das, was Ihr hier seht, und meine Erinnerungen und alten Träume.«
    Aber die Söldner glaubten ihm nicht.
    »Verratet uns den Weg nach El Dorado!« forderten sie. »Sagt uns, wo Ihr den Schatz vergraben habt!«
    »Ich bin ein alter Mann«, antwortete Santiago, »und es ist lange her. Ich erinnere mich nicht an den Weg nach El Dorado, und der einzige Schatz, den ich jemals begraben habe, liegt in einem Sarg in Spanien – und hier in meinem Herzen.«
    »Lügner!« riefen die Söldner. »Die Leute im Dorf behaupten, daß Ihr eine Karte angefertigt habt!«
    »Nein« – Santiago schüttelte den Kopf – »es gibt keine Karte. Ihr Narren.« Er seufzte müde. »Nun geht nach Hause. Man braucht keine Karte, um den größten Schatz dieser Welt zu finden, einen Schatz, der wertvoller ist als alles Gold dieser Welt …«
    Aber die Söldner hörten nicht zu. Sie verhörten und marterten ihn, bis er schließlich starb und nichts mehr erzählen konnte. Danach stellten sie das Herrenhaus auf den Kopf und suchten nach dem Schatz, von dem sie sicher waren, daß Santiago ihn irgendwo versteckt hätte. Aber sie fanden nicht einmal eine Karte. Schließlich plünderten sie das Haus und raubten alles, was sie auf ihren
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