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Titel: Domain
Autoren: James Herbert
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sonnenlosen Tage. Bilder, die er nie mehr vergessen konnte.
    Verrückt, dachte er. Und doch irgendwie gerecht. Jene, die so sorgfältig ihr eigenes Überleben geplant und dabei den Tod von Millionen in Kauf genommen hatten, waren von Ratten umgebracht worden. Eine Spezies, die seit vielen Jahrtausenden in die Unterwelt verbannt war, hatte sich an jenen gerächt, die sie unterdrückten. Stark waren die Ratten –und klug. Den Menschen überlegen. Und doch hatten sie sich einer kraftlosen, aufgedunsenen, unvorstellbar hässlichen Kreatur untergeordnet, der Mutter-Ratte…
    Der Arzt, der gerade die Wunde des Mädchens verband, sah erstaunt auf, als er Culver lachen hörte. Er überließ es einem Helfer den Verband zu schließen, und überquerte den Gang. Er betrachtete das Gesicht des Mannes, der auf seinem Sitz zusammengesunken war, und bemerkte die Tränen, die dem Mann über die Wangen liefen.
    Culver dachte an die Mutter-Ratte und an ihre Kinder. Die Schwarzen Ratten hatten den Regierungsbunker angegriffen, weil sie davon überzeugt waren, dass die Menschen ihre Herrscherin bedrohten. Gnadenlos hatten sie dem Gesetz Geltung verschafft, unter dem sie angetreten waren.
    Culver wollte zu lachen aufhören, aber er konnte nicht. Es war ja auch zu lustig. Und das Lustigste an der Sache waren die Kinder der Mutter-Ratte. Die kleinen Kreaturen, die an den Zitzen des unförmigen Monstrums gesaugt hatten. Wie menschliche Embryos hatten sie ausgesehen. Die winzigen Gesichter hatten menschliche Züge getragen. Sie hatten keine Pfoten gehabt, keine Krallen, sondern Arme und Beine. Und die Gehirne, durch die hauchdünne Hirnschale deutlich zu erkennen, waren viel zu groß gewesen, als dass sie in dem spitzen Schädel einer Ratte Platz gehabt hätten.
    War die Spezies Mensch einst vielleicht auf die gleiche Weise entstanden? Waren es radioaktiv geschädigte Gene, die zum Entstehen des Mutanten Mensch geführt hatten?
    Culver lachte, bis ihm der Arzt die Kanüle der
    Betäubungsspritze in die Vene stach.

    Die Ratten schwammen ans Ufer zurück.
    Sie huschten die Stufen hinauf. Das Donnern der Rotoren, so hoch über ihnen, hatte ihnen große Angst eingeflößt. Sie betrauerten den Tod jener Wesen, die unter der Erde ihre Geschicke gelenkt hatten. Und noch eine Kreatur war tot. Die Mutter-Ratte. Sie war gestorben, bevor sie ihre Kinder zerfleischen konnten, jene merkwürdigen Geschöpfe, die den verhassten Menschen ähnelten. Die Herrscherin selbst hatte die Zerstörung ihres Nachwuchses bewirkt.
    Nie hätten es die Schwarzen Ratten gewagt, die Kleinen zu töten, solange die Mutter-Ratte noch lebte. SIE war allmächtig und gestattete keinen Widerspruch. SIE unterhielt eine Garde, die mit den Rebellen kurzen Prozess machte. Die Garde war von einer geheimnisvollen Seuche dahingerafft worden.
    Trotzdem hatten die Ratten ihre Herrscherin beschützt. Sie hatten ihr Leben für das Wesen hingegeben, das ihre Gedanken kontrollierte. Die Gedanken waren verflogen. Die Zahl der Ratten war zusammengeschmolzen.
    Und so kehrten sie in ihr düsteres Reich zurück. Es dauerte nicht lange, bis sie den Menschen fanden, der sich in den Gängen unter der Erde zu verbergen suchte. Sein Geruch verriet ihn, seine Angst. Sie scharrten an der Tür, die das einzige Hindernis zwischen ihnen und Ellison darstellte. Sie zernagten das Holz. Sie weideten sich an seinen Schmerzensschreien.
    Als nichts mehr von ihm übrig war, begaben sie sich in die großen Tunnels, um auszuruhen und um zu kopulieren. Sie würden sich vermehren, um die Herrschaft anzutreten.
    Als sie wieder Hunger verspürten, huschten sie die steinernen Stufen hinauf. Oben war Nacht. Die Mutanten durchstreiften die Ruinen der alten Stadt. Es dauerte nicht lange, bis sie auf Beute stießen.
    Erst als die Dämmerung sich am Horizont abzeichnete, schlüpften sie in ihre Löcher zurück. Es stimmte sie traurig, sich für die Stunden des Tages von dem Territorium zu trennen, dessen Bewohner künftig ihnen, den Ratten,
    ausgeliefert sein würden.
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