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Titel: Domain
Autoren: James Herbert
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stieß das zappelnde Bündel von sich und sah, wie das Tier im hohen Bogen über Bord flog und in das aufspritzende Wasser eintauchte.
    Mit zwei Schritten war er bei Kate. Er kauerte neben ihr nieder und untersuchte den Armstumpf. Die Blutung hatte nachgelassen.
    Sein Blick irrte zum Kai, wo soeben ein Rudel Ratten in die Fluten sprang. Er sah, wie die Tiere wieder auftauchten und dem langsam davontreibenden Boot nachschwammen.
    »Wie können wir den Motor in Gang bringen?« Dealey war den Tränen nahe. »Es gibt keinen Schlüssel, es gibt keinen gottverdammten Zündschlüssel!«
    Culver ließ die Schultern sinken. Mit etwas mehr Zeit hätte er die Zündung kurzschließen können. Aber die Zeit hatte er nicht. Die schwimmenden Mutanten waren an der Bordwand angekommen. Er hörte, wie sich ihre Krallen in das morsche Holz gruben.
    Er bückte sich und hob die Axt wieder auf, dabei entdeckte er den Bootshaken, der unter einer Sitzbank verstaut lag.
    »Dealey, nehmen Sie das, und versuchen Sie, damit die Bestien vom Bord fernzuhalten. Vielleicht haben wir noch eine Chance!«
    Culver beugte sich über Bord und ließ die Axt auf eine der Ratten niedersausen. Das Boot lag tief im Wasser, so dass die Bordwand für die angreifenden Tiere eine leicht zu überwindende Hürde darstellte. Andererseits war das Boot inzwischen weiter vom Kai abgetrieben. Das nächste Rudel, das aus dem Treppenschacht kam, würde es schwer haben, die rasch wachsende Entfernung zu überwinden. Mit dem Mut der Verzweiflung hieb er auf die Mutanten ein. Das Wasser färbte sich rot vom Blut der Tiere. Dealey hatte den Bootshaken hervorgezogen, eben noch rechtzeitig, um eine Ratte, die über Bord geklettert kam, ins Wasser zurückzustoßen. Aber eine andere war auf den hölzernen Holm des Hakens gesprungen und hatte sich darin festgebissen. Erst nach heftigem Schütteln gelang es Dealey, die Ratte von der einzigen Waffe, die er hatte, abzulösen. Das Tier folgte dem Boot und biss nach dem Haken. Dealey drückte den schwarzen Körper unter Wasser.
    Erleichtert sah er, wie die Ratte abdrehte und zum Ufer zurückschwamm.
    Inzwischen hatten Dutzende anderer Mutanten die Bordwand erklommen.
    Culver ließ die Axt kreisen. Er verspürte keine Wut mehr auf die Tiere, nur kalte Entschlossenheit. Ihm war, als könnte er sich selbst bei dem blutigen Handwerk zusehen. Dealey half ihm, so gut es seine erlahmenden Kräfte zuließen. Er hatte schnell herausbekommen, den Bootshaken nach jedem Stoß rasch wieder zurückzuziehen, so dass die Ratten keine Gelegenheit hatten, ihre Hauer in den Schaft zu schlagen.
    Das Boot trieb auf die Westminster-Brücke zu. Während Culver auf die schwimmenden Verfolger einschlug, beobachtete er das Ufer aus den Augenwinkeln. Hoffentlich nahm die Strömung in der Mitte des Flusses zu. Wenn ja, konnte es ihnen gelingen, den Rudeln der Mutanten zu entkommen, die ihnen im Kielwasser folgten. Wenn…
    Ihm war, als müsste ihm das Herz stehenbleiben.
    Die Brücke, der sie sich näherten, wimmelte von Ratten. Die Tiere hockten auf den verbogenen Eisenträgern, eines neben dem anderen, und bereiteten sich auf den Sprung vor, der sie an Bord des Bootes befördern würde.

34
    Es war hoffnungslos. Die beiden Männer hatten keine Kontrolle über das Boot, das von der Strömung auf die Brücke zugetrieben wurde. Dealey, der an der Bordwand stand und auf die schwimmenden Bestien einstach, wunderte sich, warum Culver die Axt aus der Hand gelegt hatte. Als er die schwarzen Rudel erblickte, die auf dem ins Wasser gestürzten Brückenbogen hockten, ließ auch er seine Waffe sinken.
    Er sprach kein Wort mehr, er fluchte nicht einmal. Dealey war wie betäubt. Sie hatten die Bombe überlebt. Sie hatten die verheerende radioaktive Strahlung überlebt, die nach der Explosion auf die zerstörte Stadt niederging – und jetzt das.
    Sie, die Menschen, würden von vierbeinigen Kreaturen aufgefressen werden, von Ratten, die aus dem stinkenden Schmutz ihrer Nester an die Oberfläche gestiegen waren. Ein sinnloser Tod.
    Culver wollte etwas zu seinem Gefährten sagen, aber dann sah er Dealeys Augen. Der andere hatte verstanden. Es hatte keinen Zweck mehr, sich gegen das Sterben zu wehren. Sie würden die letzten Sekunden gemeinsam verleben. Als Freunde. Für Dealey, den Pragmatiker, war es ein ganz neues Gefühl. Es war das erste Mal seit vielen Jahren, dass er einen anderen Menschen wirklich verstand, und zugleich gewährte ihm die Nähe des Todes einen Einblick in
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