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Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Titel: Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang
Autoren: Jo Nesboe
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verhört. Die zwei Rüpel hatten tatsächlich vor, seine Blaskapelle zu verlassen!
    »Ihr könnt doch nicht einfach aufhören«, rief Lise. »Nicht jetzt, wo wir endlich anfangen, wie eine ordentliche Kapelle zu klingen.«
    »Klappe, Piesel-Lise«, sagte Truls. »Kapelle stinkt.«
    »Zehn Kilometer gegen den Wind«, sagte Trym und öffnete die Tür.
    »Wartet!«, rief Madsen. »Und was wollt ihr stattdessen machen?«
    »Wir fangen im Chor an.«
    »Chor?« Madsen traute seinen fein justierten Ohren nicht. »Wer will denn schon in einem Chor singen, wenn er in einer Blaskapelle spielen kann?«
    »Wir«, sagte Truls. »Und sie.«
    Er zeigte auf Beatrize und zwei ihrer Freundinnen, die ebenfalls dabei waren, ihre Instrumente einzupacken.
    »Und die da«, sagte Trym und zeigte auf die drei Waldhornbläser, die gerade die Schnappverschlüsse ihrer Waldhornkästen zuschnappen ließen.
    »Was ist hier los?«, rief Madsen und schlug mit dem Taktstock gegen seinen Notenständer. Was nichts nützte. Im Gegenteil, immer mehr Schüler packten ihre Instrumente ein.
    »Meuterei!«, rief Bulle und sprang auf seinen Stuhl.
    Aber niemand schien ihn zu hören. Sie marschierten einfach nach draußen. Und Beatrize, die als Letzte ging, streckte Bulle die Zunge raus und schlug die Tür mit einem Knall hinter sich zu.
    Als wieder Stille in der Turnhalle eingekehrt war, sah Lise sich um. Außer ihr, Bulle und Madsen war nur noch Janne an der Tuba da, ein Mädchen, das nie mit irgendwem redete und beide Brillengläser verpflastert hatte, weil sie – wie immer im Januar – schneeblind geworden war.
    Madsen stand mit hängenden Armen und bebender Unterlippe vor ihnen. Lange, ohne sich zu regen, bis seine Unterlippe zu beben aufhörte. Dann schob er die Brille zurecht, hob den Taktstock und richtete den Blick auf die drei übrig gebliebenen Musiker.
    »Weiter geht’s mit dem Ziemlich Alten Jägermarsch . Vier, drei, zwei, eins …«
    Als Lise nach Hause kam, schnürte sie ihre Schuhe auf und stellte sie in den Schuhschrank.
    Sie ging ins Wohnzimmer. Hinter den Rückenlehnen der Sessel des Kommandantenpapas und der Kommandantenmama sah sie Tenoresen mit dem Arm voller Blumen in die Kameras strahlen.
    »Hallo, alles klar bei euch?«
    »Tenoresen und die Fanni Voisis haben gewonnen!« Der Kommandantenpapa lachte glücklich. »Ist das nicht tjoll?«
    »Hallo, Schatz«, sagte ihre Mutter, ohne sich umzudrehen. »Im Kjühlschrank stehen Butterbrote.«
    »Alle anderen Schüler haben die Schulkapelle verlassen, weil sie lieber im Chor singen wollen …«
    »Schhh!«, sagte ihre Mutter. »Tenoresen dirigiert wieder.«
    Lises Vater und sie beugten sich in ihren Sesseln vor.
    Lise seufzte, ging in die Küche und nahm sich eins der beiden Brote. Im Wohnzimmer hörte sie ihre Eltern mitsingen:
    Ljiebe. Das schönste Wort auf Erden …
    Lise trank noch ein Glas Milch und putzte sich die Zähne, ehe sie wieder zu ihren Eltern ging. Kon-CHOR-renz war vorbei, aber der Nachrichtensprecher verkündete gerade, dass Hallvard Tenoresen sich im Anschluss an die Nachrichten mit einer längeren Siegeransprache an die Nation wenden wollte.
    »Gute Nacht«, sagte Lise und umarmte erst Mama, dann Papa.
    »Ach, das hätte ich fast vergessen«, sagte ihre Mutter. »Vorgjestern beim Elternsprechtag meinte Frau Strobe, dass du dich im Unterricht ruhig ein bisschen häufiger melden kjönntest, wo du doch immer die richtige Antwort weißt.«
    »Okay«, sagte Lise. Sie hatte keine Lust zu erklären, dass Bulle meistens schon geantwortet hatte, ehe sie es schaffte, sich zu melden. Und dass seine Antworten selten etwas mit den Fragen zu tun hatten.
    »Wir haben übrigens auch den neuen Kjunst- und Werklehrer getroffen«, sagte ihr Vater. »Wie hieß er noch gleich? Herr Galvanius?«
    »Mir war er ja ein bisschen unheimlich«, sagte Lises Mutter und schüttelte sich. »Hattest du nicht auch das Gefühl, dass seine Hand sich schleimig anfühlte, als wir sie ihm gjeschüttelt haben? Und die Finger waren auch so merkwürdig, als hätte er Schwimmhäute dazwischen.«
    Der Kommandantenpapa lachte, dass sein großer Kommandantenbauch wippte. »Ho, ho. Jetzt übertreibst du aber, Ljiebste. Oder was meinst du, Lise?«
    »Hm«, sagte Lise, die die Frage nicht mitbekommen hatte, weil der Nachrichtensprecher ihre Aufmerksamkeit auf eine ganz kurze Nachricht gelenkt hatte, so kurz, dass man sie leicht hätte überhören können, eingeklemmt zwischen den Nachrichten von einem gewaltigen
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