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Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang

Titel: Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang
Autoren: Jo Nesboe
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Erdbeben, das beruhigend weit weg stattgefunden hatte, und der Wettervorhersage. Die Nachricht bestand aus einem einzigen Satz. Aber der reichte vollkommen aus, damit Lises Nackenhaare sich aufstellten. Genau wie in der Turnhalle, als sie vor der Kapellenfahne gestanden hatte.
    »Schlaf gut, mein Schjatz«, sagte Papa und küsste Lise auf die Stirn.
    Als Lise schließlich im Bett lag und einzuschlafen versuchte, mahlte dieser eine Satz in ihrem Kopf herum. Die Neuigkeit war so unscheinbar, dass der Nachrichtensprecher sie mit einem leisen Lächeln vorgelesen hatte: »Die Polizei meldet einen dramatischen Anstieg vermisst gemeldeter Socken.«

5. Kapitel
    Eisschneebälle und Hirnsauger
    Als Bulle am nächsten Morgen aufwachte, merkte er gleich, dass etwas anders war als sonst. Er wusste nur nicht, was, weil eigentlich fast alles wie immer war. Zum Beispiel, dass Eva, seine große Schwester, die Badezimmertür abgeschlossen hatte und ihn anpflaumte, dass er sich verziehen und sie nicht bei der Morgentoilette stören sollte.
    »Beim Pickelausdrücken, meinst du?«, fragte Bulle vor der Tür.
    »Ich bring dich um, du Gartenzwerg!«, schrie sie. »Deinetwegen beeile isch misch auf keinen Fall, kapiert!«
    Bulle ging runter in die Küche, wo er vier Brote schmierte. Eins, das er aß, und zwei, die er in Butterbrotpapier einwickelte, für die Schule. Das vierte legte er auf einen Teller, den er mit einem Glas Orangensaft und der Morgenzeitung ins Schlafzimmer zu seiner Mutter trug. Er stellte das Tablett auf dem Nachtschrank ab und schüttelte sie vorsichtig an der Schulter.
    »Erwache, oh Mutter aller Mütter. Draußen lacht ein strahlender Tag.«
    Sie wälzte sich im Bett herum, starrte Bulle misstrauisch mit einem blutunterlaufenen Auge an und schmatzte zweimal, ehe sie schnaufte: »Du lügst mal wieder wie gjedruckt, Bulle.«
    »Minus acht Grad und Sonne«, las Bulle aus der Zeitung vor.
    »Halt den Mund und lies die Schlagzeilen vor«, blaffte seine Mutter, schloss die Augen und drehte sich wieder zur Wand.
    »Hallvard Tenoresen triumphiert!«, las Bulle. »Im Siegerinterview sagt er, dass Norwegen eine schlechte Regierung hat, dass nichts funktioniert, dass der König und der Ministerpräsident Taugenichtse sind und dass das norwegische Volk lieber einen Vertreter wählen sollte, der weiß, wo’s langgeht. Einen, der weiß, wie man die Menschen zur Zusammenarbeit bewegt. Wie in einem Chor.«
    »Hm. Irgendwelche anderen Neuigkjeiten?«
    »Mal sehen …«, sagte Bulle und blinzelte, um die winzige Überschrift unter dem riesigen Foto von Hallvard Tenoresen lesen zu können.
    »Irgendwo hat es offenbar ein Erdbeben gegeben.«
    »Wo?!«, schrie Eva aus dem Badezimmer.
    Bulle fixierte die Buchstaben. »Unmöglich zu erkennen.«

    »Uninteressant«, beschloss seine Mutter. »Lies mehr über Tenoresen.«
    »Tenoresen meint, es ist fünf vor zwölf«, las Bulle weiter. » Ich bin gerne bereit, Norwegens Karren aus dem Dreck zu ziehen, wenn das Volk mich haben will, sagte Tenoresen in dem Fernsehinterview.«
    Bulle lacht laut.
    »Was lachst du so blöd, du Würstchen!«, schrie seine Schwester, die aus dem Bad gekommen war und mit rot glühenden Kratern im Gesicht in der Türöffnung stand.
    »Über Tenoresen«, sagte Bulle. »Der Kerl scheint tatsächlich zu glauben, er könnte einfach so die Regierung Norwegens übernehmen. Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank!« Bulle schrieb mit dem Zeigefinger die Schlagzeile in die Luft:
    Der singende Chiropraktiker an der Regierungsspitze!
    Bulle hickste vor Lachen, verstummte aber augenblicklich, als er die Blicke seiner Mutter und Evas auf sich spürte.
    »Und auf wen außer Hallvard Tenoresen ist Vjerlass?«, fragte seine Mutter frostig. »Auf dich vielleicht?«
    Eva lachte herzhaft über den Witz ihrer Mutter und ihre Mutter noch herzhafter darüber, dass Eva über ihren Witz lachte, worauf Eva noch herzhafter darüber lachte, dass ihre Mutter über ihr Lachen gelacht hatte. Bulle sah auf die Uhr, legte die Zeitung weg und verließ das Zimmer, um seinen Ranzen zu holen. Seine Mutter brüllte hinter ihm her: »Setz den Kjaffeekjessel auf, bevor du gehst!«
    Bulle wartete wie jeden Morgen vor dem Gartentor vor Lises Haus, dass sie mit dem Schulranzen auf dem Rücken herauskam. Und wie jeden Morgen sagten sie kein Wort und gingen stumm nebeneinanderher durch die Kanonenstraße, wie immer.
    »Eigentlich ist alles normal«, sagte Lise, als sie sich dem Haus näherten, in dem Truls
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