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Doktor Pascal - 20

Doktor Pascal - 20

Titel: Doktor Pascal - 20
Autoren: Émile Zola
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»physiologische Studie der Vererbungstheorie« zu Ende bringt und als Plädoyer für Zolas literarische Methode dient. Und ebenso das neunte Kapitel, das mit dem Tod von Macquart, Charles und Tante Dide die Familiengeschichte zu Ende führt, die dunkle Vergangenheit der RougonMacquart, die Félicité begraben möchte und die mit der Verbrennung der Papiere im dreizehnten Kapitel tatsächlich in der Asche versinkt.
    Das vierte Kapitel ist vor allem auf die Darstellung der zeitgeschichtlichen Auseinandersetzung konzentriert, auf den Kampf zwischen Glauben und Wissenschaft. Daneben erfolgt die Überprüfung der Ergebnisse der Wissenschaft selbst in eigenständigen Kapiteln, wie dem zweiten und insbesondere in dem großartigen zwölften Kapitel, das den Tod Pascals, die Selbstbeobachtung und beschreibung seiner fortschreitenden Krankheit darstellt. Es ist vielleicht auch künstlerisch das gelungenste Kapitel des ganzen Buches.
    Schließlich haben wir noch die eigentliche Liebesgeschichte, die das Zentrum der Handlung und auch des Aufbaus einnimmt und die Mittelkapitel sechs, sieben, acht ausfüllt. Die ersten drei Kapitel dagegen dienen mehr einer allgemeinen Einführung (im Sinne einer echten Disposition), und das letzte, vierzehnte Kapitel bringt die Liebesgeschichte und die Familiengeschichte zu einem gewissen Abschluß, ohne im üblichen Sinn einen Schluß darzustellen. Denn zugleich ist dieses Kapitel ein Anfang und eine Frage an die Zukunft: Was wirst du bringen, kleiner Mann, neuer Messias?
    Dieser Aufbau ist die logische Folge der gedanklichen und weltanschaulichen Anlage des Romans, der im Vorgriff auf die späteren Werke bereits den Blick auf die kommenden Themen öffnet.
    Die Gleichartigkeit des Grundanliegens des »Doktor Pascal« und der »Drei Städte« und »Vier Evangelien« ist nicht zu übersehen, und auch nicht die Gleichartigkeit der damit verbundenen künstlerischen Lösungen. Je abstrakter Zolas Zukunftsverkündigung wird, je mehr er sich in die Predigt wohlgemeinter Ideale flüchtet, statt die tatsächlichen Lebensfragen, die gesellschaftlichen Widersprüche und Konflikte zu gestalten, um so gekünstelter und langweiliger wird die um seine Schlagworte angeordnete Handlung. Der Realismus seiner Darstellung schrumpft auf die Wiedergabe wohlbeobachteter Details, während seine Menschen, die eigentlichen Handlungsträger, wie Marionetten an den dünnen Fäden seiner abstrakten Thesen zappeln. Aus blutvollen Figuren mit Eigenleben werden sie stereotype Kalenderbilder.
    Dieser letzte Roman der »RougonMacquart« Reihe fand daher mehr Kritik als Anerkennung. Der krönende Abschluß des Gebäudes entsprach nicht dem kunstvollen Aufbau der übrigen Teile. Die Schwerfälligkeiten und Längen, die ermüdenden Wiederholungen und dozierenden Belehrungen waren nicht zu übersehen.
    Hier hatte wirklich die Theorie die literarische Praxis überrundet und die Predigt abstrakter Thesen den Realismus zerstört. Mit diesem Roman legitimierte sich Zola nicht als »porteparole« eines historisch entscheidenden Augenblicks, als den er sich in den Kampfzeiten des Naturalismus, Anfang der achtziger Jahre, verstand und als der er auch betrachtet werden
    wollte.
    Der »Evangelist« Zola war nicht der »große Prophet«, als den Barbusse ihn 1927 in einer Umfrage bezeichnete, die von der »Neuen Bücherschau« zum 25. Todestag Zolas durchgeführt wurde.
    Der »große Prophet« war jener Zola, der in seinen besten gesellschaftskritischen Romanen die ersten Anzeichen der Tendenzen und kommenden Probleme des neuen Zeitalters erkannt und literarisch überzeugend dargestellt hatte.
     
    ebook - Erstellung Februar 2010 - TUX
     
    Ende
     
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