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Doktor auf Draht

Doktor auf Draht

Titel: Doktor auf Draht
Autoren: Richard Gordon
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Friseur aus dem West End herumrennen. Er hatte es ja seit Jahren nicht für nötig befunden, anders auszusehen als Sir Lancelot Spratt.
    Unsere amerikanischen Brüder nannten ihn unentwegt »Lance« und fragten ihm bezüglich unseres Nationalen Gesundheitsdienstes die Seele aus dem Leib, obgleich sie nicht verhehlten, daß einer, der mit einem Mundvoll Gratiszähnen herumlief, die großen Traditionen der westlichen Demokratie unterminierte.
    »Jetzt ist’s vier Uhr«, verkündete Sir Lancelot, indem er am Samstag nachmittag — der für Stadtbesichtigungen freigegeben war — mitten auf der Fifth Avenue seine Uhr aufschnappen ließ, »und ich hätte, wie ich gestehen muß, nichts gegen eine geruhsame Tasse Tee einzuwenden.«
    Der alte Knabe hatte einen ermüdenden Tag hinter sich; fast wäre er von einem jener schwerbewaffneten Burschen niedergeschossen worden, die in New York dazu da sind, gewisse Leute daran zu hindern, sich in den Banken selbst zu bedienen, und herauszufinden, wo die Züge im Zentralbahnhof versteckt werden. Und die Hitze war so groß, daß ich mir einbildete, sie dringe selbst in die Martinis ein.
    »Falls man in diesem Stein gewordenen Niagarafall überhaupt so etwas wie Tee bekommen kann«, fügte er zweifelnd hinzu.
    »Dieses Lokal dort drüben sieht recht ruhig aus«, schlug ich vor, auf ein Neonzeichen weisend. »>Hafen der Ruhe< heißt es.«
    »Das würde mir ausgezeichnet passen.«
    Bei Gott, das Lokal nahm uns sofort für sich ein, als wir vom brodelnden Gehsteig weg unter seine gestreiften Markisen getreten und durch die dicke Glastüre in die Segnungen der Klimaanlage eingedrungen waren.
    »Sehr anständiges kleines Hotel«, lobte Sir Lancelot, indem er sich billigend in der Vorhalle umsah.
    »Gerade der richtige Ort, um ein langes kühles Bier zu trinken«, bestätigte ich.
    Die Vorhalle war in ruhigem Purpurrot gehalten, einige gut frisierte Blumenbuketts standen gefällig in den Ecken verteilt. Natürlich fehlte auch hier nicht Musik, aber statt Top Hat und South Pacific war’s eine leise und liebliche Melodie, die ruhig auf einer Orgel gespielt wurde. Und was das Beste war: kein Mensch ließ sich ringsum blicken, eine angenehme Abwechslung gegen unsere eigene Hotelhalle, in der es früh und spät von Koffern und Menschen wimmelte.
    »Keine große Bewegung«, konstatierte ich. »Wahrscheinlich wird das Buffet auf dem Dach sein.«
    »Wissen Sie was, Grimsdyke«, ließ sich Sir Lancelot plötzlich vernehmen, »ich habe große Lust, für den Rest der Konferenz mein Quartier hierher zu verlegen. Sie bleiben natürlich, wo Sie sind. Dies hier wäre viel zu ruhig für Sie. Aber mir behagt es hier ungemein.«
    In diesem Augenblick öffnete sich eine purpurne Tür mit der Aufschrift »Reception«, und es erschien ein magerer blasser Mann mit weißem Haar, dem üblichen schwarzen Jackett und gestreifter Hose.
    »Guten Tag, meine Herren«, sagte er in gedämpftem und respektvollem Ton, der Sir Lancelot unendlich behagte. »Mein Name ist Ed Samboys, ich leite das Unternehmen hier. Darf ich fragen, wen Sie sehen wollen?«
    »Wir wollen niemanden sehen«, sagte ich.
    »Ach so«, murmelte der Direktor.
    »Ich wollte nur fragen«, sagte Sir Lancelot, »ob Sie zufällig einen Raum frei haben.«
    Mr. Samboys ließ einen Seufzer entweichen.
    »Bedaure aufrichtig, Sir, aber derzeit sind unsere sämtlichen Räume besetzt.«
    »Ich brauche bloß ein Zimmer für eine Person«, erklärte Sir Lancelot. »Nicht für zwei.«
    Der Direktor schien auf diese Worte hin leicht bestürzt zu sein, entschuldigte sich jedoch: »Zu dieser Jahreszeit herrscht bei uns Hochbetrieb, Sir. Wahrscheinlich wegen der plötzlichen Hitze.«
    »Durchaus möglich«, bekräftigte der Chirurg. »Wären jetzt Bekannte von mir in New York, würde ich alles daransetzen, sie in Ihre kühlen Räume einzuquartieren. Ihr Etablissement macht einen ausgezeichneten Eindruck auf mich.«
    Mr. Samboys verbeugte sich.
    »Könnte ich vielleicht für später ein Zimmer buchen?«
    Der Direktor lächelte und rieb sich beflissen die Hände.
    »Das können Sie, Sir, wir raten den Leuten stets, an die Zukunft zu denken.«
    »Klar.«
    »Für wen wäre der Raum, Sir?«
    Sir Lancelot runzelte leicht die Stirne. »Für mich, selbstverständlich. Sie können mir doch hoffentlich ein fixes Datum nennen? Ich brauche ihn recht bald.«
    Mr. Samboys’ Lächeln riß ab.
    »So bald schon, Sir?«
    »Gewiß«, sagte Sir Lancelot kurz. »Spätestens in ein bis zwei
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