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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition)
Autoren: Stephen King
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er’s nicht. Erwartet einfach, dass die Leute wegen ihm anhalten.« Sie rümpfte die Nase und streckte die Zunge heraus wie ein kleines Kind, das gerade etwas Unappetitliches in den Mund genommen hatte. Rosenkohl zum Beispiel. » Was für eine Einstellung!«
    Dan kannte Freds Tagesablauf, und seine Einstellung kannte er ebenfalls.
    » Wie jeden Abend wollte er sich einen Cheeseburger holen«, fuhr Claudette fort. »Die Cops haben die Frau, die ihn überfahren hat, ins Gefängnis gesteckt – soweit ich gehört hab, war sie so besoffen, dass sie kaum noch stehen konnte. Fred haben sie hierhergebracht. Sein Gesicht ist verwüstet, Brust und Becken sind zertrümmert, ein Bein ist fast abgetrennt. Wenn Emerson nicht zufällig gerade hier gewesen wäre, um Visite zu machen, wäre Fred sofort gestorben. Wir haben getan, was wir konnten, auch die Blutungen gestoppt, aber selbst wenn er in bester Verfassung gewesen wäre … was der gute, alte Freddy definitiv nicht war …« Wieder zuckte sie die Achseln. »Dr. Edwards sagt, sie werden einen Rettungswagen schicken, sobald sie in Castle Rock fertig sind, aber bis dahin ist Fred wahrscheinlich hinüber. Edwards war sich da nicht ganz sicher, aber ich vertraue Azreel. Du solltest jetzt gleich zu ihm gehen, falls du das tatsächlich willst. Ich weiß, du hast ihn nie besonders leiden können …«
    Dan dachte an die Fingerspuren, die der Pfleger auf dem Arm des armen, alten Charlie Hayes hinterlassen hatte. Schade, hatte er gesagt, als Dan ihm mitgeteilt hatte, dass der alte Mann tot war. Und sich dabei auf seinem Lieblingsstuhl gefläzt und Schokodragees gefuttert. Aber dafür sind die ja hier, nicht wahr?
    Und jetzt lag Fred in demselben Zimmer, in dem Charlie gestorben war. Das Leben war ein Rad, und es drehte sich immer wieder zu seiner Ursprungsposition zurück.
    4
    Die Tür der Shepard Suite stand halb offen, aber aus Höflichkeit klopfte Dan trotzdem. Schon im Flur hörte er das raue Pfeifen und Gurgeln von Fred Carlings Atmung. Azzie, der sich am Fußende des Bettes zusammengerollt hatte, schien sich nicht daran zu stören. Carling lag auf einer Gummiunterlage und trug nichts als mit Blut befleckte Boxershorts und massenhaft Bandagen, durch die an vielen Stellen Blut sickerte. Sein Gesicht war entstellt, sein Körper in mindestens drei unterschiedliche Richtungen verdreht.
    »Fred? Ich bin’s, Dan Torrance. Kannst du mich hören?«
    Das eine verbliebene Auge öffnete sich. Die Atmung stockte. Man hörte ein kurzes Krächzen, bei dem es sich um ein Ja gehandelt haben konnte.
    Dan ging ins Bad, tränkte ein Tuch mit warmem Wasser und wrang es aus. Das hatte er schon oft getan. Als er wieder an Carlings Bett trat, erhob sich Azzie, dehnte genüsslich den gewölbten Rücken, wie Katzen es gern taten, und sprang auf den Boden. Im nächsten Moment war er verschwunden, um seine abendliche Patrouille wieder aufzunehmen. Inzwischen hinkte er ein wenig. Er war mittlerweile ein sehr alter Kater.
    Dan setzte sich auf die Bettkante und rieb mit dem Tuch sanft über den Teil von Fred Carlings Gesicht, der relativ unbeschädigt geblieben war.
    »Tut es sehr weh?«
    Wieder dieses Krächzen. Carlings linke Hand war ein verdrehtes Durcheinander aus gebrochenen Fingern, weshalb Dan die rechte ergriff. »Du musst nicht sprechen, sag’s mir einfach so.«
    (jetzt nicht mehr so sehr)
    Dan nickte. »Gut. Das ist gut.«
    (aber ich hab Angst)
    »Es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest.«
    Er sah Fred im Alter von sechs Jahren mit seinem Bruder im Saco schwimmen. Fred griff sich immer hinten an die Badehose, um sie nicht zu verlieren, weil sie zu groß war; er hatte sie gebraucht bekommen wie fast alles, was er besaß. Dann sah Dan ihn mit fünfzehn, wie er im Autokino von Bridgton ein Mädchen küsste und Parfüm roch, während er ihre Brüste berührte und sich wünschte, diese Nacht würde niemals enden. Er sah ihn mit fünfundzwanzig im Pulk der Road Saints zum Hampton Beach fahren, auf einer Harley FXB , dem Modell »Sturgis«. Fred fühlt sich toll, er ist aufgeputscht mit Benzos und Rotwein, und der Tag ist ein echter Hammer, alle glotzen, während die Saints in einer langen, glitzernden Karawane vorbeidonnern; das Leben ist wie ein Feuerwerk. Und er sah die Wohnung, in der Carling mit seinem kleinen Hund namens Brownie lebte oder vielmehr gelebt hatte. Brownie war nichts Besonderes, bloß ein ganz normaler Köter, aber er war klug. Manchmal sprang er seinem Herrchen auf den
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