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Doctor Sleep (German Edition)

Doctor Sleep (German Edition)

Titel: Doctor Sleep (German Edition)
Autoren: Stephen King
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die Augen zu, hatte Dick Hallorann ihm einmal geraten. Wenn du etwas Schlimmes siehst, mach einfach die Augen zu, und sag dir, dass es nicht da ist, und wenn du sie wieder aufmachst, ist es fort.
    Aber das hatte schon damals, als er fünf Jahre alt gewesen war, in ebenjenem Zimmer 217 nicht funktioniert, und jetzt funktionierte es sicherlich auch nicht. Das wusste er. Er konnte die Frau riechen . Sie verweste gerade.
    Die Frau – er kannte ihren Namen, es war Mrs. Massey – erhob sich schwerfällig auf ihre violetten Beine und streckte die Hände nach ihm aus. Das Fleisch an den Armen hing herab, als würde es heruntertropfen. Sie lächelte, als sähe sie einen alten Freund. Oder vielleicht etwas Gutes zu essen.
    Mit einem Ausdruck, den man fälschlich für Gelassenheit hätte halten können, schloss Danny leise die Tür und trat einen Schritt zurück. Er sah, wie der Knauf sich drehte, nach rechts … nach links … wieder nach rechts … und dann innehielt.
    Inzwischen war er acht Jahre alt und trotz diesem Horror zumindest einiger rationaler Gedanken fähig. Teilweise deshalb, weil er so etwas in einem tiefen Winkel seines Denkens erwartet hatte. Allerdings hatte er immer gedacht, wenn irgendwann jemand auftauchte, würde es Horace Derwent sein. Oder vielleicht der Barkeeper, den sein Vater Lloyd genannt hatte. Aber schon bevor es endlich so weit war, hätte er wissen müssen, dass es Mrs. Massey sein würde. Weil sie von allen untoten Dingen im Overlook am schlimmsten gewesen war.
    Der rationale Teil seines Denkens sagte ihm, dass die Frau nur ein Bruchstück irgendeines schlimmen Traums war, an den er sich nicht mehr erinnerte und der ihm aus dem Schlaf durch den Flur bis ins Bad gefolgt war. Dieser Teil behauptete steif und fest, wenn er die Tür wieder öffne, werde nichts dahinter sein. Natürlich nicht, denn jetzt war er ja wach. Ein anderer Teil von ihm, der hellsichtige Teil, wusste es jedoch besser. Das Overlook war noch längst nicht mit ihm fertig. Mindestens einer der rachsüchtigen Geister aus dem Hotel war ihm bis nach Florida gefolgt. Einmal war er auf die Frau gestoßen, während sie in einer Badewanne gelegen hatte. Sie war herausgestiegen und hatte ihn mit ihren fischigen (aber schrecklich starken) Fingern erwürgen wollen. Wenn er die Badezimmertür jetzt öffnete, würde sie das zu Ende bringen.
    Er ging einen Kompromiss ein, indem er das Ohr an die Tür legte. Zuerst war da nichts. Dann hörte er ein leises Geräusch.
    Tote Fingernägel, die an Holz kratzten.
    Auf nicht vorhandenen Beinen ging Danny in die Küche, wo er sich auf einen Stuhl stellte und ins Spülbecken pinkelte. Dann weckte er seine Mutter und sagte ihr, sie solle nicht ins Bad gehen, weil da etwas Schlimmes drin sei. Sobald das erledigt war, ging er wieder ins Bett und verkroch sich unter der Decke. Dort wollte er für immer bleiben und nur aufstehen, um ins Spülbecken zu pinkeln. Nachdem er seine Mutter gewarnt hatte, war er nicht mehr daran interessiert, mit ihr zu sprechen.
    Seine Mutter kannte das bereits. Es war schon einmal geschehen, nämlich nachdem Danny sich ins Zimmer 217 des Overlooks gewagt hatte.
    »Aber mit Dick wirst du sprechen, ja?«
    In seinem Bett liegend, sah er zu ihr hoch und nickte. Seine Mutter ging ans Telefon, obwohl es vier Uhr morgens war.
    Am späten Nachmittag des nächsten Tages kam Dick. Er hatte etwas mitgebracht. Ein Geschenk.
    4
    Nachdem Wendy Dick angerufen hatte – sie hatte dafür gesorgt, dass Danny das mitbekam –, schlief Danny wieder ein. Obwohl er schon acht Jahre alt war und die dritte Klasse besuchte, nuckelte er noch am Daumen. Es tat ihr weh, das zu sehen. Sie ging zur Badezimmertür und starrte sie an. Sie hatte Angst – Danny hatte ihr Angst gemacht –, aber sie musste aufs Klo, und sie brachte es nicht über sich, wie er in die Spüle zu pinkeln. Bei der Vorstellung, wie sie auf dem Rand der Spüle hocken würde, während ihr Hintern schwankend über dem Becken hing (auch wenn niemand da war, der zusehen konnte), rümpfte sie unwillkürlich die Nase.
    In der Hand hielt sie den Hammer aus ihrem kleinen Witwenwerkzeugkasten. Als sie den Knauf drehte und die Badezimmertür aufdrückte, hob sie ihre Waffe. Das Bad war natürlich leer, wenngleich die Klobrille heruntergeklappt war. Wendy ließ sie nie unten, bevor sie zu Bett ging, weil sie wusste, dass Danny irgendwann hereingetappt käme. Nicht mal halb wach, würde er wahrscheinlich vergessen, das Ding hochzuklappen, und
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