Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot
Autoren: George Elizabeth
Vom Netzwerk:
kam. Er war gerade erst von einem Mittagsquickie mit seiner Frau zurück, gefolgt von einem zufriedenen Nickerchen, sie beide nackt unter der Tagesdecke, die sie zuvor vom Bett gerissen hatten. (»Wir dürfen keine Flecken draufmachen, Mick, es ist die einzige, die wir haben!«) So kam es, dass er erst seit fünfzig Minuten wieder an der A39 Jagd auf Verkehrssünder und andere Übeltäter machte. Doch die Heizung, der Rhythmus der Scheibenwischer und die Tatsache, dass sein zweijähriger Sohn ihn fast die ganze Nacht wach gehalten hatte, hatten seine Lider schwer werden lassen, und so hatte er sich eine Haltebucht für ein Päuschen gesucht. Er war gerade eingedöst, als ihn das Funkgerät aufstörte.
    »Leiche am Strand. Polcare Cove. Bitte umgehend hinfahren. Sichern Sie den Fundort, und erstatten Sie Bericht.«
    »Wer hat das gemeldet?«, wollte er wissen.
    »Ein Wanderer und eine Ferienhausbesitzerin. Sie erwarten Sie am Polcare Cottage.«
    »Und das ist wo?«
    »Herrgott noch mal, Mann, schalten Sie Ihr Hirn ein!«
    Mick zeigte dem Funkgerät den bösen Finger. Dann ließ er den Motor an, rollte auf die Straße und schaltete das Warnlicht und die Sirene ein, was sonst nur im Hochsommer vorkam, wenn ein eiliger Tourist auf der Straße einen folgenschweren Fahrfehler beging. Das einzig Spannende, das Mick zu dieser Jahreszeit für gewöhnlich erlebte, waren die Surfer, die es nicht erwarten konnten, sich in die Wellen der Widemouth Bay zu stürzen: mit zu viel Schwung auf den Parkplatz, zu spät abgebremst, und ab über die Böschung auf den Strand. Nun, Mick konnte diesen Überschwang verstehen. Er verspürte ihn selbst, wenn die Wellen gut waren, und das Einzige, was ihn dann von seinem Neoprenanzug und seinem Board fernhielt, war die Uniform, die er trug und die er auch bis zur Rente hier in Casvelyn zu tragen gedachte. Seine Pension zu verspielen, gehörte nicht zu seinem Karriereplan. Nicht umsonst nannte man den Posten in Casvelyn in Kollegenkreisen den ›samtgepolsterten Sarg‹.
    Trotz Sirene und Warnlicht brauchte er immer noch zwanzig Minuten bis zum Polcare Cottage, dem einzigen Haus an der Straße zur Bucht hinab. Luftlinie war es nur eine Strecke von fünf Meilen, doch die Sträßchen waren nicht breiter als anderthalb Autos und schlängelten sich weitschweifig um Felder, Wälder, Weiler und Dörfer.
    Das Cottage war senfgelb gestrichen, wirkte wie ein Leuchtfeuer im dämmrigen Nachmittagslicht – ganz und gar unüblich für diese Gegend, in der fast alle Bauwerke weiß waren. Auch die beiden Außengebäude in leuchtendem Purpur und Limonengrün trotzten der lokalen Tradition. In beiden war es dunkel, aber durch die Fenster des Cottages strömte Licht in den umliegenden Garten.
    Mick schaltete die Sirene aus und parkte, ließ aber Scheinwerfer und Warnlicht an. Das fand er cool. Er trat durch das Tor und ging an dem alten Vauxhall in der Auffahrt vorbei. Dann klopfte er vernehmlich an die leuchtend blaue Tür. Sofort erschien eine Gestalt auf der anderen Seite des bleiverglasten Türfensters, ganz so als hätte sie in der Nähe gestanden und gewartet. Sie trug enge Jeans und einen Rollkragenpullover. Ihre Ohrringe klimperten, als sie Mick ins Haus winkte.
    »Mein Name ist Daidre Trahair«, stellte sie sich vor. »Ich habe angerufen.«
    Sie führte ihn in eine kleine Diele, die mit Gummistiefeln, Wanderschuhen und Windjacken vollgestopft war. Ein riesiger eiförmiger Eisenkessel, den Mick als Erzförderkorb identifizierte, stand in einer Ecke und war mit Schirmen und Wanderstöcken gefüllt. Eine grob gezimmerte schmale Bank diente zum An- und Ausziehen von Stiefeln. Man konnte sich in der Enge kaum bewegen.
    Mick schüttelte die Regentropfen von seiner Jacke und folgte Daidre ins Herz des Cottages: das Wohnzimmer. Dort hockte ein ungepflegter bärtiger Mann vor dem Kamin und mühte sich ungeschickt mit einer Handvoll Kohlebriketts ab. Der Schürhaken, mit dem er hantierte, hatte einen Griff in Form eines Entenkopfes. Er sollte eine Kerze unter die Kohlen halten, bis das Feuer in Gang kommt, dachte Mick. So hatte seine Mum das immer gemacht, und es hatte immer wunderbar funktioniert.
    »Wo ist der Tote?«, fragte er. »Und ich brauche Ihre Personalien.« Er zückte sein Notizbuch.
    »Die Flut steigt«, sagte der Mann. »Die Leiche liegt auf dem … Ich weiß nicht, ob es ein Teil des Riffs ist, aber das Wasser … Sicher wollen Sie sich zuerst die Leiche ansehen. Bevor Sie sich den Formalitäten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher