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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot
Autoren: George Elizabeth
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recht«, sagte sie zu ihrem Begleiter. »Er ist tot. Und die Flut kommt. Hören Sie, wir müssen ihn wegschaffen, sonst …«
    »Nein!« Die Stimme des Fremden klang streng.
    Daidre war plötzlich verunsichert. »Bitte?«
    »Die Polizei muss das sehen. Wir müssen sie anrufen. Wo ist das nächste Telefon? Haben Sie ein Handy? Im Cottage war nichts …« Er wies in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er hatte in ihrem Cottage kein Telefon finden können.
    »Ich habe mein Handy nicht dabei«, antwortete sie. »Ich nehme es nie mit, wenn ich herkomme. Und wozu sollte das auch noch gut sein? Er ist tot, und es ist ziemlich eindeutig, wie es passiert ist. Die Flut steigt, und wenn wir ihn nicht bewegen, wird das Wasser es tun.«
    »Wie lange?«
    »Wie bitte?«
    »Die Flut. Wie viel Zeit bleibt uns?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie blickte aufs Wasser. »Vielleicht zwanzig Minuten? Eine halbe Stunde?«
    »Wo ist das nächste Telefon? Sie haben doch einen Wagen.« Und wie eine Variation ihrer eigenen Worte fügte er hinzu: »Wir verschwenden kostbare Zeit. Ich kann hier bei ihm bleiben, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Es war ihr nicht lieber. Er würde ganz sicher entschwinden wie ein Geist, wenn sie ihm die Gelegenheit dazu gäbe. Er würde darauf setzen, dass sie den Anruf tätigte, an dem ihm so gelegen war, aber er selbst würde sich davonmachen und es ihr überlassen … was zu tun? Sie hatte so eine Ahnung, und diese Ahnung gefiel ihr ganz und gar nicht.
    »Kommen Sie mit«, sagte sie.
    Sie fuhr zum Salthouse Inn. Es war die einzige Adresse im Umkreis von Meilen, die ihr einfiel, wo sie sich mit Sicherheit Zugang zu einem Telefon verschaffen konnten. Die einsame Gaststätte stand an der Kreuzung dreier Straßen: ein weißes, gedrungenes Gebäude aus dem dreizehnten Jahrhundert, das ein Stück landeinwärts von Alsperyl gelegen war, südlich von Shop und nördlich von Woodford. Daidre fuhr in halsbrecherischem Tempo, aber der Mann protestierte nicht und schien auch nicht besorgt, dass sie einen Abhang hinunterrasen oder in einer Hecke landen könnten. Weder schnallte er sich an, noch hielt er sich fest.
    Sie schwiegen beide. Eine spürbare Spannung hatte sich zwischen ihnen aufgebaut, weil sie Fremde waren, aber ebenso wegen der vielen offenen Fragen. Daidre war erleichtert, als sie die Gaststätte erreichten. An der frischen Luft zu sein und seinen Gestank nicht mehr in der Nase zu haben, war ein Segen – und eine sinnvolle Aufgabe vor sich zu haben, ein Gottesgeschenk.
    Er folgte ihr über die gekieste Freifläche, die als Parkplatz herhielt, zu einer niedrigen Tür. Sie mussten beide den Kopf einziehen, um einzutreten. Sie gelangten in einen Vorraum, wo ein Durcheinander aus Regenjacken und tropfenden Schirmen herrschte. Sie verschwendeten keinen Gedanken daran, ihre Jacken abzulegen, sondern schritten direkt auf die Bar zu.
    Die Stammgäste, die hier schon nachmittags gern ein Gläschen nahmen, saßen an ihren üblichen Plätzen um die verschrammten Tische am Feuer. Die Kohlen strahlten eine angenehme Wärme ab. Die Flammen erhellten die ihnen zugewandten Gesichter und überzogen die rußigen Wände mit einem sachten Schimmer.
    Daidre nickte den Gästen zu. Sie kam selbst gelegentlich hierher, sodass man einander flüchtig kannte. »Dr. Trahair«, grüßten die Männer murmelnd, und einer fügte hinzu: »Sind Sie fürs Turnier runtergekommen?« Aber die Frage verhallte, als die Blicke auf ihren Begleiter fielen und von ihm zurück zu ihr glitten, neugierig und verwundert. Fremde waren in dieser Gegend weiß Gott keine Seltenheit. Gutes Wetter lockte sie scharenweise nach Cornwall. Aber sie kamen und gingen als Fremde und erschienen für gewöhnlich nicht in Begleitung bekannter Gesichter.
    Sie trat an die Theke. »Brian, ich brauche Ihr Telefon«, sagte sie. »Es ist ein furchtbarer Unfall passiert. Dieser Mann hier …« Sie wandte sich an den Fremden. »Ich weiß Ihren Namen nicht.«
    »Thomas.«
    »Thomas. Und wie weiter?«
    »Thomas«, beharrte er.
    Sie runzelte die Stirn, fuhr aber, an den Wirt gerichtet, fort: »Dieser Mann hier, Thomas, hat in Polcare Cove einen Toten gefunden. Wir müssen die Polizei rufen.« Dann fügte sie mit gesenkter Stimme hinzu: »Brian, ich glaube … Ich glaube, es ist Santo Kerne.«
    Constable Mick McNulty war auf Streife, als sein Funkgerät ihn aus dem Halbschlaf riss. Er konnte von Glück sagen, dass er überhaupt im Streifenwagen gesessen hatte, als der Funkspruch
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