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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot
Autoren: George Elizabeth
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sagt: ›Die Ärmste weiß es nicht besser, sie ist Amerikanerin.‹«
    »Moment mal, Havers. Ich habe niemals gedacht …«
    »Spielt keine Rolle«, unterbrach sie ihn und wedelte mit ihrer Gabel. »Es ist mir egal, verstehen Sie. Es macht mir nichts aus.«
    »Also …«
    »Aber ihr macht es etwas aus. Und das ist es, was einen in Schwierigkeiten bringt: die Tatsache, dass es einem nicht gleichgültig ist. Wenn es einem egal wäre, könnte man in glückseliger Unwissenheit dahinleben oder wenigstens so tun. Wenn nicht, wird man ein nervöses Wrack und zermartert sich das Hirn über die Benimmregeln oder darüber, welches Besteck man benutzen muss. Sechzehn Messer und zweiundzwanzig Gabeln, also warum essen diese Leute den Spargel mit den Fingern?« Sie schauderte, häufte sich neuen Shepherd's Pie auf und spülte ihn mit einem Schluck Bier hinunter.
    Er musterte sie einen Moment. »Havers, bilde ich mir das ein, oder haben Sie heute Abend ein bisschen mehr getrunken als üblich?«
    »Wieso? Lalle ich?«
    »So weit würde ich nicht gehen, aber …«
    »Das hab ich mir verdient. Einen anständigen Drink. Oder auch fünfzehn, wenn's nötig ist. Ich muss nicht mehr Auto fahren, und die Treppe werde ich es wohl noch hinaufschaffen. So gerade.«
    »Was ist los?«, fragte er. Es sah Havers nicht ähnlich, sich zu betrinken. Ein Bier pro Woche war normalerweise eher ihr Pensum.
    Und dann erzählte sie ihm von Jago Reeth, Benesek Kerne, Hedras Hütte – die sie als ›so 'n beknackten Schuppen oben auf der Klippe, wo wir alle hätten umkommen können‹ beschrieb – und von dem Ergebnis, das gar kein Ergebnis war. Jonathan Parsons und Pengelly Cove, Santo Kerne und …
    »Wollen Sie etwa sagen, er hat ein Geständnis abgelegt?«, fragte Lynley. »Bemerkenswert.«
    »Sir, Ihnen entgeht das Wesentliche. Er hat kein Geständnis abgelegt. Er hat Annahmen aufgestellt. Er hat dies angenommen und jenes angenommen, und zum Schluss hat er angenommen, dass er einfach aus der Hütte stolziert und seiner Wege geht. Rache ist süß und der ganze Mist.«
    »Und das war alles?«, fragte er. »Was hat Hannaford getan?«
    »Was hätte sie denn tun sollen? Oder sonst irgendwer? Wenn das hier irgendein alter Grieche geschrieben hätte, könnten wir vielleicht hoffen, dass Thor ihn in den nächsten ein, zwei Tagen mit dem Blitz erschlägt, aber damit können wir wohl nicht rechnen.«
    »Du meine Güte …«, murmelte Lynley, und nach einem Moment fügte er hinzu: »Zeus.«
    »Was?«
    »Zeus, Havers. Thor ist ein nordischer Gott, Zeus der griechische.«
    »Wie auch immer, Sir. Wie wir beide wissen, gehöre ich schließlich zum Pöbel. Aber die Sache ist die: Die Griechen sind hier nicht mit von der Partie, und darum kommt er davon. Hannaford will an ihm dranbleiben, aber sie hat absolut nichts in der Hand. Dank McNulty, diesem Vollidioten, dessen Beitrag zur Ermittlung offenbar nur aus einem Surfposter bestand. Abgesehen davon, dass er Informationen ausgeplaudert hat, als er die Klappe hätte halten müssen. Es ist ein Riesenschlamassel, und ich bin froh, dass ich nicht dafür verantwortlich bin.«
    Lynley atmete tief aus. »Schrecklich für die Familie«, sagte er.
    »Allerdings«, stimmte sie zu. Sie studierte sein Gesicht. »Essen Sie was, Sir?«
    »Ich hatte mit dem Gedanken gespielt«, räumte er ein. »Wie ist der Shepherd's Pie?«
    »Wie Shepherd's Pie eben so ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man bei Shepherd's Pie als Pubsnack keine zu hohen Erwartungen haben darf. Sagen wir's so: Jamie Oliver hat hier keine Konkurrenz zu befürchten.« Sie spießte eine Kostprobe auf und reichte ihm die Gabel hinüber.
    Er nahm sie und aß. Ausreichend, befand er. Er wollte schon aufstehen, um sich an der Bar eine Portion zu bestellen, doch ihre nächsten Worte ließen ihn innehalten.
    »Sir, kann ich Sie was fragen?« Sie sprach so behutsam, dass er wusste, was kommen würde.
    »Ja?«
    »Kommen Sie mit mir zurück nach London?«
    Er setzte sich wieder hin. Er sah nicht sie, sondern ihren Teller an: die Reste des Shepherd's Pie und die sorgsam aussortierten Erbsen und Möhren. Typisch Havers, dachte er. Die Menüwahl, die Möhren, die Erbsen, die Unterhaltung, die sie geführt hatten, und nun diese Frage.
    »Havers …«
    »Bitte«, sagte sie.
    Er hob den Blick und sah sie an. Diese hoffnungslose Frisur. Die unmögliche Kleidung. Die Quintessenz all dessen, was sie war. Doch hinter der Maske der Gleichgültigkeit, die sie der Welt
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