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Doch die Sünde ist Scharlachrot

Doch die Sünde ist Scharlachrot

Titel: Doch die Sünde ist Scharlachrot
Autoren: George Elizabeth
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einen anständigen Cornish Cream Tea einnehmen könnten. Scones, Sahnebutter und Erdbeermarmelade.
    Sie erinnere sich an Zeiten, erzählte sie, da es außerhalb von Cornwall beinah unmöglich gewesen sei, Sahnebutter zu bekommen. Er auch?
    Ja. Genau wie anständige Würstchen. Ganz zu schweigen von Pasteten. Er habe Pasteten immer geliebt, aber zu Hause hätte es sie nie gegeben, denn sein Vater habe sie immer … Er unterbrach sich.
    Gewöhnlich. Sein Vater hatte sie für gewöhnlich gehalten. Vulgär im wahrsten Sinne des Wortes.
    Sie beendete den Satz für ihn, und dann fügte sie hinzu: »Aber das waren sie ganz und gar nicht, richtig? Sie waren nicht gewöhnlich.«
    Er erzählte ihr von seinem Bruder und dass dieser drogensüchtig war. Von der Universität in Oxford geflogen, die Freundin tot mit einer Nadel im Arm, Peter selbst seither in einer Therapieklinik nach der anderen. Lynley gestand, er habe das Gefühl, bei seinem Bruder vollkommen versagt zu haben. Als er für den Jungen hätte da sein sollen – anwesend, meinte er, und zwar anwesend in jeder Hinsicht, nicht nur ein warmer Körper auf einem Sofa –, war er nicht da gewesen.
    »Nun, solche Dinge kommen vor«, sagte sie. »Und Sie hatten Ihr eigenes Leben.«
    »So wie Sie das Ihre.«
    Sie sagte nicht, was eine andere Frau am Ende dieses ereignisreichen Tages, den sie zusammen verbracht hatten, vielleicht gesagt hätte: Und glauben Sie, das macht uns ebenbürtig, Thomas? Aber er wusste, dass sie es dachte, denn was sonst sollte sie denken, nachdem er ihr ohne jeden Bezug von Peter erzählt hatte. Trotzdem verspürte er das Bedürfnis, ihr mehr Details aus seinem Leben zu erzählen, sie vor ihr aufzuhäufen, bis sie gezwungen war, mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede zu erkennen. Er wollte ihr davon berichten, dass sein Schwager vor rund zehn Jahren ermordet worden war, dass er selbst als Verdächtiger festgenommen und vierundzwanzig Stunden eingesperrt gewesen und verhört worden war, denn er hatte Edward Davenport und das, was Edward Davenport seiner Schwester eingebracht hatte, gehasst und daraus auch nie ein Geheimnis gemacht. Doch ihr das zu erzählen, hätte bedeutet, etwas von ihr zu erbetteln, was sie ganz offensichtlich nicht zu geben hatte.
    Er bedauerte zutiefst, in welch eine Situation er sie gebracht hatte, denn er wusste genau, wie sie seine Reaktion auf alles, was sie ihm an diesem Tag offenbart hatte, interpretieren würde, ganz gleich was er beteuern mochte. Zwischen ihnen verlief eine tiefe Kluft: aufgrund ihrer Geburt, ihrer Kindheit und Erfahrungen. Dass die Kluft nur in ihrem Kopf bestand, nicht aber in seinem, würde er ihr nie begreiflich machen können, und eine derartige Versicherung wäre ohnehin oberflächlich gewesen. Für sie war die Kluft so real, dass sie niemals begreifen würde, dass sie für ihn nicht gleichermaßen real war.
    Sie kennen mich überhaupt nicht, wollte er ihr sagen. Sie wissen nicht, wer ich bin, mit welchen Menschen ich mich umgebe, welche Beziehungen mein Leben definiert haben. Aber wie sollte sie auch? Zeitungsberichte – Boulevardblätter, Hochglanzmagazine oder was auch immer – erzählten eben nur die dramatischen, herzzerreißenden oder schlüpfrigen Episoden. Jene Bestandteile des Lebens, die aus den kostbaren und unvergesslichen alltäglichen Episoden bestanden, kamen darin nicht vor. Sie bargen nicht genug Dramatik, selbst wenn es letztlich sie waren, die bestimmten, wer man war.
    Nicht dass es eine Rolle spielte, wer er war. Mit Helens Tod hatte es alle Bedeutung verloren.
    Oder zumindest hatte er sich das eingeredet. Nur dass das, was er jetzt empfand, etwas ganz anderes sagte. Dass das Leid eines anderen Menschen ihn berührte, sprach von … was? Wiedergeburt? Er wollte nicht wiedergeboren werden. Genesung? Er war auch nicht sicher, ob er genesen wollte. Doch ein Hauch dessen, was er war, im Kern dessen, was er zu sein schien, veranlasste ihn, wenigstens teilweise nachzuempfinden, was Daidre fühlte. Gefangen im Scheinwerferlicht, nackt, wo sie sich doch so bemüht hatte, sich ein Kostüm zu schneidern.
    »Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen«, sagte er.
    Sie sah ihn an, und ihr Ausdruck verriet, dass sie glaubte, er spräche von etwas ganz anderem. »Das kann ich verstehen«, erwiderte sie. »Mein Gott, wer würde sich das in Ihrer Lage nicht wünschen?«
    »Nicht wegen Helen«, stellte er klar. »Obwohl ich praktisch alles dafür geben würde, wenn ich sie
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