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Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland
Autoren: Ralf Sotscheck
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Vorwort
    Das Land habe ein Lächeln auf den Lippen und einen Willkommensgruß in den Augen, schrieb der englische Reiseschriftsteller Henry Vollam Morton, als er Schottland 1929 bereiste. Und die Bewohner des Landes? Nach gängigen Vorstellungen sind sie sparsam und tapfer, spielen Dudelsack und tragen Röcke, trinken Whisky und beherbergen Ungeheuer in ihren Seen.
    Das moderne Schottland dagegen ist weniger bekannt. Die Ölindustrie hat dem Land Auftrieb gegeben. Aberdeen ist Ölhauptstadt Europas, ein Fünftel der Einwohner arbeitet in diesem Bereich. Dank des schottischen Öls ist Großbritannien seit Anfang der achtziger Jahre Selbstversorger, aber die Vorräte gehen langsam zur Neige.
    Das Öl gab auch den Anstoß zum Streben nach größerer Selbständigkeit. Als man in der Nordsee fündig geworden war, bestritt die Scottish National Party ( SNP ), die für Schottlands Autonomie eintritt, den Wahlkampf 1974 mit dem Slogan: »Es ist Schottlands Öl.« Die Partei gewann dreißig Prozent der Stimmen und ist seither ein Machtfaktor in Schottland. Aber es dauerte noch ein Vierteljahrhundert, bis wenigstens die Teilautonomie erreicht war. Seit dem 30. Juni 1999 hat Schottland wieder ein eigenes Parlament. Die Bereiche Außenpolitik, gesamtbritische Finanzen, Verteidigung, Sozialversicherung, Staatsbürgerschaft und Verfassungsfragen werden zwar weiterhin in London entschieden, aber alles andere untersteht dem Parlament in der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Darüber hinaus darf es bei der Einkommenssteuer bis zu drei Prozent vom Basissteuersatz abweichen.
    »Wir meinen, wenn sich die Schotten daran gewöhnt haben, seit der Vereinigung der Parlamente 1707 erstmals wieder ein eigenes Parlament zu haben, dann wollen sie auch bald über die anderen Bereiche, in denen London weiterhin das Sagen hat, selbst entscheiden«, sagt Angus Robertson, der außenpolitische Sprecher der SNP . Der Neunundzwanzigjährige arbeitete sieben Jahre bei Blue Danube Radio , dann hat er sich für eine politische Karriere entschieden. Der berühmteste Schotte der Welt ist ebenfalls SNP-Mitglied, im Flur der Parteizentrale hängt sein Ölporträt: Sean Connery alias James Bond zahlt jedes Jahr fünfzigtausend Pfund in die Parteikasse, zu Wahlkampfzeiten tritt er in SNP -Fernsehspots auf und wirbt für eine unabhängige schottische Nation. Das wird allerdings noch eine Weile dauern. Obwohl die SNP seit den Wahlen 2007 mit einer Minderheitsregierung an der Macht ist, musste die Partei ihr geplantes Referendum über die schottische Unabhängigkeit vorerst auf Eis legen, weil man keine Erfolgschance sah.
    Wer aber sind die Schotten? »Wir glauben zu wissen, wer wir sind«, sagt Magnus Linklater, der Kolumnist. »Wir besitzen ein viel größeres Selbstvertrauen in Bezug auf unsere Nationalität als die Engländer. Aber genau wie sie kommen wir aus allen Himmelsrichtungen. Manche stammen aus Nordirland, andere sind Kelten, aber niemand weiß genau, wo die Kelten herkamen. Sie sind die romantische Seite der Schotten. Wieder andere, wie ich, haben Wikingerblut in den Adern. Und einige von uns stammen von den Pikten ab, aber niemand weiß auch nur das Geringste über die Pikten.« Es waren jedoch die Skoten, denen Schottland seinen Namen verdankt. Sie waren Kelten und kamen wahrscheinlich aus Irland herüber. Pikten und Skoten fielen immer wieder plündernd in den römisch besetzten Süden Britanniens ein, sodass Kaiser Hadrian ab 122 n. Chr. an der schmalsten Stelle der Insel eine Mauer errichten ließ, den Hadrianswall. Er bildete die Nordgrenze des Römischen Reiches.
    Der Schutzwall sorgte dafür, dass Schottland eine eigene, keltisch beeinflusste Entwicklung nahm, die zum Teil bis heute nachwirkt. Henry Vollam Morton sinnierte, als er am Hadrianswall stand: »Die schottische Seite der Mauer ist niemals überwunden worden. Auf dieser Seite gab es viele Weggenossen, aber keine Herren. Hier wurden viele Lieder gesungen, aber keine Gesetze geschaffen.«
    Nun, in Schottland gibt es natürlich auch eine Rechtsprechung, sie gehörte, ebenso wie das Schulsystem und die Kirche, zu den Sonderrechten, die nach der Zwangsvereinigung mit England 1707 den Schotten überlassen blieben. Diese Eigenständigkeit in diesen drei Bereichen trug dazu bei, dass nationale Kultur und Identität überlebten oder durch den Verlust der politischen Selbständigkeit sogar verstärkt wurden.
    Hat der Nationalismus eine Kehrseite? Eingewanderte englische Familien erzählen von
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