Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dinner für eine Leiche

Dinner für eine Leiche

Titel: Dinner für eine Leiche
Autoren: Jean G. Goodhind
Vom Netzwerk:
mit dem Ellbogen in die Rippen und legte einen Finger an die Lippen.
    »Ich hab doch gar nichts gesagt!«, zischte Gloria entrüstet.
    Lindsey verkniff sich die Antwort, dass sie das eben doch gemacht hatte. Für kleinliche Streitereien war jetzt wirklich keine Zeit. Inzwischen richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf die andere Seite des Raumes. Dort schimmerten zwei helle Lichtkreise auf dem blitzsauberen Boden. Sie zogen Lindseys Blicke magisch an. Sie war in Versuchung, sich von diesen goldenen Talern noch näher locken zu lassen. Die widerspenstige Seite ihrer |298| Persönlichkeit flüsterte ihr ein, sie sollte sofort hinrennen. Aber alles, was in ihrem Hirn mit Selbsterhaltungstrieb zu tun hatte, wies sie scharf zurecht, sie sollte gefälligst sofort hinter einer Mülltonne aus Edelstahl abtauchen.
    Gerade wollte Gloria wieder etwas flüstern, als ihr Lindsey eine Hand vor den Mund legte und auf einen Schatten deutete, der im Raum auftauchte.
    Ein Mann in Jeans und schwarzem T-Shirt ging geradewegs auf die beiden hellen Kreise zu. Einen Augenblick lang verdunkelte sein Kopf die Lichtquelle. In der aschgrauen Dunkelheit besaßen plötzlich alle Gegenstände nur noch eine Form und keine scharfen Umrisse mehr.
    Der Mann streckte die Hand aus und drehte rechts von der zweiflügeligen Tür an einem Rädchen. Dann sagte er etwas, das sie aber nicht verstehen konnte, so sehr sie sich auch anstrengte. Jedenfalls endete der Satz mit einem Gluckern. Es war kein fröhliches, sondern ein drohendes Lachen, von der Art, wie man es aus Filmen von wahnsinnig gewordenen Wissenschaftlern kennt.
    Als der Mann sich entfernte, fiel wieder Licht aus den Bullaugen der Doppeltür, vor der er gestanden hatte. Der lange Schatten des Kerls wurde mit jedem laut hallenden Schritt kleiner.
    Lindsey pochte das Herz laut in den Ohren. Sie zählte die verrinnenden Sekunden. Dreißig, sechzig, neunzig … War er wohl inzwischen weit genug weg?
    »Sie müssen da drüben sein«, flüsterte ihre Großmutter.
    Lindsey nickte.
    Sie rannten geduckt hinüber zur anderen Seite des Lagerraums und zu der großen Doppeltür.
    Lindsey spähte durch das Bullauge in ihrer Türhälfte. Ihr blieb vor Staunen der Mund offen stehen.
    Ihre Großmutter war kleiner und musste sich auf die Zehenspitzen stellen. »Hätte ich doch bloß meine hochhackigen Schuhe an!«, murmelte sie, ehe auch ihr der Kiefer nach unten |299| fiel. Sie hatte wahrgenommen, welche Kopfbedeckung die beiden da drinnen miteinander verband. »Soll das so eine Art modischer Partner-Look sein, was die beiden da auf dem Kopf haben?« Sie klang eher neugierig als überrascht.
    »Praktisch ist es zumindest«, antwortete Lindsey. Sie ging nicht weiter ins Detail. Sie war mit ihren Gedanken woanders. Es war für sie ein ganz besonderer Augenblick. Sie hatte es ihrer Mutter nie erzählt, aber sie schämte sich wirklich, dass sie sich auf Oliver Stafford eingelassen hatte. Sie hatte sich immer etwas auf ihre Menschenkenntnis eingebildet. Damit war es wohl nicht weit her. Das tat weh, es war ihr peinlich, und sie sehnte sich über alles danach, sich wieder besser zu fühlen. Wenn sie jetzt ihre Mutter rettete – und dazu noch den anderen Bewohner der wärmenden Kopfbedeckung –, dann würde sie sich besser fühlen.
    Mit beiden Händen zerrte sie an dem Hebel, der die Tür verriegelte. Dabei wanderten ihre Gedanken schon zum nächsten logischen Schritt. »Hilfe rufen, aber mach’s draußen, damit dich niemand hört.«
    »Geht in Ordnung.« Ihre Großmutter schnappte sich das Telefon, das ihr an einer Kette um den Hals baumelte, und schlich sich auf dem gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren.
    Wiederum hörte Lindsey Schritte und duckte sich hinter die Abfalltonne. Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihr Schnaufen viel zu laut. Konnten es dann nicht auch die anderen hören?
    Die Schritte näherten sich ihrem Versteck, hielten inne, zogen sich wieder in die andere Richtung zurück. Lindsey schloss die Augen, zählte noch einmal langsam die Sekunden. Zehn, zwanzig, dreißig.
    Nun kam sie wieder hinter der Tonne hervor, rannte zur Tür des Gefrierraums zurück, schaute hinein und winkte. Zwei Gesichter, die so bleich waren wie Eis, schauten zu ihr hinaus. Die beiden brachten es gerade noch fertig, zögerlich zurückzuwinken.
    |300| Lindsey umklammerte den Hebel mit beiden Händen und schob ihn mit aller Kraft nach oben. Es gab ein dumpfes Geräusch, dann zischte ein Luftstrom hervor, als die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher