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Dinner für eine Leiche

Dinner für eine Leiche

Titel: Dinner für eine Leiche
Autoren: Jean G. Goodhind
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kleiner Pfad, siehst du den?«
    Ja, den konnte Lindsey ausmachen. Normalerweise spazierte sie nicht gern mitten in der Nacht durch finstere Hohlwege, aber Avonmouth lag in der Dunkelheit wie eine ausgestorbene |293| Geisterstadt da. Wahrscheinlich trieben sich in dieser Gegend nicht allzu viele Vergewaltiger und Mörder herum. Die einzigen Kriminellen, die hier herumstreunten, interessierten sich wahrscheinlich eher dafür, bei den vielen hier überall angesiedelten Firmen Reifen oder andere Autoteile zu klauen.
    Lindsey schaute sich um, als sie über die Straße gingen. Steves Auto war nirgends zu sehen. Und das müsste doch sicher hier irgendwo stehen? Es sei denn, jemand hatte es versteckt. Entweder Steve oder jemand anderer.
    Die Nachtluft war mild, aber die sorgenvollen Gedanken, die sie überfielen, jagten Lindsey die kalten Schauer über den Rücken. Die Bäume rauschten in der warmen Brise, während die beiden Frauen den Pfad entlanggingen. Der stammte noch aus der Zeit, als man die Lagerhäuser aus Fertigbauelementen hochgezogen hatte. Er führte zu einem Erdhaufen, den die Bauarbeiter hinterlassen hatten. Inzwischen war er mit Gras und grünem Gestrüpp überwachsen. Oben ragte eine Betonmauer auf.
    »Ich gehe hier hoch«, verkündete Lindsey, deren Füße auf dem feuchten Gras ausrutschten.
    »Warte auf mich. Ich habe meine Sportschuhe an, Blau und Silber. Echte Designerteile. Schick, oder?«
    »Jetzt nicht, Oma.«
    Lindsey kraxelte den Hang hinauf und nahm an, dass ihre Großmutter ihr nicht würde folgen können. Da hatte sie sich aber getäuscht. Rote Krallen packten den Saum ihres Pullovers und hielten sich daran fest.
    »Wo sind wir?«, erkundigte sich ihre Großmutter, die von der Anstrengung kaum außer Atem war.
    »Da«, antwortete Lindsey. Sie deutete nach oben. Gloria schaute auf ein riesiges Schild: »Roland Mead Internationale Fleischlagerhäuser.«
    Gloria spuckte ins Gras. »Der Mann ist wirklich größenwahnsinnig!«
    |294| Die Betonmauer stellte sich als Brüstung heraus.
    Lindsey duckte sich dahinter, schaute nur vorsichtig mit dem Kopf über die Mauer. Sie sah eine Tür im hinteren Teil des Gebäudes, aber keine Sicherheitskameras. Das hieß nicht, dass es keine gab, nur dass sie gut verborgen waren. »Sollten wir hier so rumschleichen?«
    Auch Gloria streckte ihren Kopf über die Brüstung. »O ja.«
    Lindsey drückte den Kopf ihrer Großmutter mit der flachen Hand wieder nach unten.
    »Die könnten Kameras haben, obwohl ich keine sehe.«
    Gloria war nicht in der Stimmung, sich von Kameras oder Kriminellen aufhalten zu lassen. Sie sorgte sich um ihre Tochter. »Sind wir hundertprozentig sicher, dass Honey da drin ist?«
    »Scheint so.«
    Ihre Großmutter schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Ich kann einfach nicht glauben, dass Roland deine Mutter gefangen hält. Warum sollte er so etwas machen? Außer für irgendwelche perversen Sexspielchen?«
    Lindsey warf ihrer Oma einen schockierten und fassungslosen Blick zu. Klar, in ihrem Alter sollten Großmütter sich mit der Welt auskennen. Aber sie sollten doch die jüngere Generation nicht so brüskieren! Und über perverse Sexspielchen hatten sie gefälligst nicht unterrichtet zu sein!
    »Was weißt du denn über solche Sachen?«
    »Ich hab ja schließlich nicht im Kloster gelebt«, erwiderte Gloria mit einem verächtlichen Schniefen.
    Lindsey schüttelte den Kopf und konzentrierte sich darauf, was nun zu tun war. Sie fragte sich, warum sie nicht um das Gelände herum zum Haupteingang gegangen waren. Wegen der Beweise, sagte sie sich. Die Sache hatte irgendwas mit Fleisch und falschen Etikettierungen zu tun. Mead wollte sicher nicht, dass jemand hier herumschnüffelte. Und doch war ihre Mutter ganz gewiss hierhergekommen. Alles wies darauf hin. Ihre Großmutter hatte mehr oder weniger zugegeben, dass |295| sie den beiden von ihrem Verdacht erzählt und sie geradezu in diese Gegend geschickt hatte.
    Mit großen Schritten ging Lindsey an der Wand entlang und suchte nach einer Möglichkeit, in der Nähe der Hintertür irgendwie herunterzugelangen. Da musste es doch was geben, überlegte sie. Die Bauleute hatten einen riesigen Erdhaufen an der Wand aufgeschüttet. Wenn man gute Knie und genug Mut hatte, konnte man von dort dann auf den Hof springen. So viel Mut hatte sie nicht, und die Knie ihrer Großmutter würden eine solche Eskapade womöglich nicht verkraften.
    Es musste auch anders gehen. Wenn ein Pfad durch die Bäume verlief und an
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