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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12
Autoren: Robert Silverberg
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über die Lippen. Bestimmt war eine groß angelegte Suchaktion nach Charcot gestartet worden. Aber sie war ergebnislos verlaufen.
    Warum? Weil die Verfolgung von einer falschen Annahme ausgegangen war. Brauers Puls begann zu jagen. Die langersehnte Gelegenheit zum selbständigen Denken war endlich da! Hier konnte ein gewöhnlicher Mensch aus Fleisch und Blut mit seinen Vermutungen beweisen, daß er klüger war als ein Elektronengehirn mit Milliarden Einheiten und seinem widerlichen binären Denken.
    Er beschloß, Edward Charcot zu finden.
    Der erste Schritt dazu bestand in der Betätigung des Kommunikators.
    »Chef, hier ist Brauer. Ich mochte einen dreimonatigen Urlaub beantragen.«
    »Bezahlt oder unbezahlt?«
    Nach kurzem Zaudern sagte Brauer kühn: »Bezahlt. Es handelt sich nämlich um das Sonderprojekt, von dem ich sprach.«
    Es entstand eine Pause. »Drei Monate bezahlter Urlaub… das wird unser Budget nicht leicht verkraften. Können Sie mir etwas über die Art Ihres Projektes sagen?«
    »Ich werde Edward Charcot ausfindig machen«, antwortete Brauer.
    Der Chef reagierte genau, wie er es erwartet hätte. »Wen?«
    »Charcot? Den Kidnapper, der 2560 aus der Strafanstalt Prokyon ausbrach. Erinnern Sie sich?«
    »Ach – der. Hmm. Also gut. Füllen Sie das Formular aus, setzen Sie es selbst in die entsprechenden Schlüsselzahlen um und speisen Sie den Computer damit. Sie wissen ja, wie man das macht. Ich sorge dafür, daß Ihr Urlaub bewilligt wird.«
    Brauer schrieb sofort seinen Urlaubsantrag und gab ihn dem Computer ein. Dann verfaßte er einen neuen Auftrag: Benötige sämtliche vorhandenen Unterlagen über Charcot, Edward Hammond.
    Sekunden später hatte er sie, einschließlich der Kopien der Karteikarte und des Ergänzungsblattes 101. Die Maschine hatte seine Anforderung »sämtlicher Unterlagen« wieder mal wörtlich genommen.
    Brauer ordnete seinen Schreibtisch und begann, die Unterlagen zu studieren. Das meiste war eine Wiederholung dessen, was er bereits wußte. Er überflog die Berichte und ebenso den Lebenslauf Charcots. Das alles interessierte ihn nicht.
    Spannend wurde erst die Information für die Zeit nach der Flucht. Sie umfaßte Zeugenaussagen von Leuten, die Charcot in der einen oder anderen Verkleidung gesehen haben wollten. Jemand hatte auch eine Wahrscheinlichkeitstabelle angefertigt. Brauer hoffte, daß dieser Jemand ein Mensch gewesen war und nicht bloß ein aufmerksames Aggregat Totivacs. Jede Meldung über Charcot war anhand einer ausgeklügelten Farbskala tuschiert worden, die die Glaubwürdigkeit der Aussagen anzeigte. Die Skala reichte von hellrot für »ziemlich verläßlich« bis zu dunkelviolett für »völlig unglaubhaft.«
    Die Farbskala wies eindeutig in Richtung Bellatrix. Die Meldungen wurden von dem Bericht der Patrouillen ergänzt, die in diesem Gebiet nach Charcot gesucht hatten.
    Totivac hatte die sechs Planeten der Bellatrix analysiert und gefolgert, daß Charcot sich entweder auf Bellatrix II, III oder VI befinden müsse, da all diese Planeten von relativ gutartigen Lebewesen bevölkert waren.
    Patrouillenschiff C Dlx 102-3 hatte Bellatrix II, III und VI gründlich durchsucht. Von Charcot keine Spur. Man hatte die Akte Charcot unter »Ungelöst« abgelegt, und dort hatte sie vermutlich unbelästigt herumgelegen, bis Brauer sie angefordert hatte.
    Leise vor sich hinsummend, stöberte Brauer den Rest des Dossiers durch. Es enthielt unter anderem ein inzwischen schon leicht vergilbtes Telefax vom 12. Mai 2560, das auf Prokyon IV aufgegeben worden war. Darauf war das Foto des Ausbrechers zu sehen. Er war ein dunkelhaariger hübscher Mann von beinahe liebenswürdigem Aussehen, hatte einen dünnen Schnurrbart und tiefliegende Augen. Seine Lippen waren eher zu einem Grinsen als einem Lächeln verzogen. Ein schlauer Mensch, urteilte Brauer, obwohl es eine Grundregel der Kriminologie war, Äußerlichkeiten nicht zu überschätzen. Bei Charcot allerdings deckte sich der Charakter mit dem Aussehen: es bedurfte schon eines ungemein schlauen Mannes, um aus dem Prokyon-Gefängnis auszubrechen.
    Das Telefax versprach außerdem eine Belohnung für jeden Hinweis, der zu Charcots Verhaftung führte, enthielt eine Personenbeschreibung des Flüchtlings und seinen kurz gefaßten Lebenslauf. Bestimmt waren noch etliche dieser Blätter an den Postämtern wenig frequentierter Teile des Planetensystems angeschlagen.
    Brauer legte das Telefax und sämtliche anderen Unterlagen wieder in die
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