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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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der Bühne. Statt der khakifarbenen Uniform trug sie nur ihre Haut, zum Anfassen nah den Männern, die von der Straße kamen und dreißig Mark für ein Glas Champagner zahlen konnten. Für Danda und Mauritz, beide noch Gymnasiasten, war Sharon eine unfassbare Existenz, die sie faszinierte. Darin war sich die Familie Krug ausnahmsweise einig.
     
    Ein Wunder von einer Frau. Krug hatte diese Formulierung gefunden, spontan, sie genügte ihm nicht, er fand sie ärgerlich klischeehaft, doch sie war nun mal da. Es war typisch für Krug, dass er seine Wunder nicht selten den Niederungen seines Berufsstandes verdankte.
    Aufgeschreckt vom Minussaldo seines Kontos, ermahnt durch die bienenfleißige Existenz seines Steuerberaters, hatte Krug eingewilligt, für eine Boulevardzeitung der Stadt deren Nachtleben zu beschreiben. Krug hatte es alle Jahre wieder beschrieben. Es bedeutete schnelles Geld. Gemeinsam mit Bert Bertrams, dem Fotografen, fuhr Krug eines Abends los. Im Porsche Bertrams’ zogen sie die Blicke noch kleinerer Existenzen auf sich.
    Der Fotograf Bert Bertrams, der zu der Zeit, als er seine Mutter von ihren Putzstellen abholte, noch Berthold Umlauft hieß, fotografierte für die Gesellschaftsspalten der Zeitung alles, was sich in der Stadt dazu drängte. Stadträte, Industrielle, Feinkosthändler, Schauspieler, echte und falsche Konsuln, Schneider,Friseure. Bert Bertrams richtete seinen Blitz auf sie und gab jedem für Sekunden Identität. Er wurde von der Zeitung bezahlt und nicht selten auch von den Geblitzten, die er verachtete. Doch Bertrams verachtete auch Krug, den Feinen, Gebildeten, Dünnhäutigen, der doch die Begabung gehabt hätte, sich ebenfalls dumm und dämlich zu verdienen. Warum machte der es nicht wie andere? Schrieb für Millionen und pfiff auf die Feuilletons? Bertrams sah Krug an, der gerade die Batterien in seinem Rekorder auswechselte. Hat einen guten Kopf, dachte Bertrams, Typ leidender Christus, sehr hohe Stirn, lange schmale Nase, kleiner weicher Mund. Zu weich, dachte Bertrams, zu viele Skrupel, zu wenig Power. Hörspiele schrieb er. Mein Gott, da sitzt der ein halbes Jahr und schreibt und kriegt dann siebentausend. Tausend im Monat brutto. Dem ist nicht zu helfen. Dafür würde er, Bertrams, die Kamera nicht in die Hand nehmen. Da hatte er andere Tarife. Ein Thema durchfotografiert für den
Playboy,
andere Magazine zogen nach, die Tageszeitungen sowieso, vielleicht sogar noch Foto-Annuells und Ausstellungen – mit den Pfunden wuchern, aus einer Arbeit zigfach Honorar rausschinden – nur so lief es. Man musste bloß die Nerven behalten.
    Bertrams hatte schon fast zu viel von dem, was er sich so zäh erkämpft hatte. Und heute sollte er das Münchner Nachtleben fotografieren. Für mindestens sechs Folgen. Etwas Öderes konnte Bertrams sich nicht vorstellen. Lieber würde er in Hellabrunn im stinkenden Affenhaus die Tiere beim Flöhen ablichten. Aber nicht diese Puffottern und Schafsnasen, die nach Armani stanken und nach Lufthansaerfrischungstüchern.Er tat das nun wirklich aus alter Freundschaft für den Chefredakteur. Und weil der Krug den Text schrieb. Komisch – gemeinsam mit Krug fühlte er, Bertrams, sich gut, irgendwie. Krug war cool, trotz allem, irgendwie cool. Der hatte ein Buch über die Siegfriedsage geschrieben und Gedichte, die Bertrams gefielen. Bertrams begriff nicht, warum die Leute Krugs Bücher nicht kauften, mal abgesehen von den zweitausend, die weggegangen waren. Er, Bertrams, der sich schon beim Schreiben eines Satzes quälte, verstand nicht, wie einer ganze Bücher vollschrieb, wenn er dafür einen Stundenlohn von 0,60   Mark bekam. Jawohl, das hatte er gemeinsam mit Krug errechnet. Sechzig Pfennig pro Stunde. Und Ärger. Entweder ärgerst du dich, weil du keine Kritiken bekommst, oder du ärgerst dich, weil du welche bekommst. Miese. Er, Bertrams, las ja Kritiken nicht, aber weil es um einen Roman von Krug ging, hatte er sie dann doch gelesen. »Späte private Flurbereinigung« sei das, was Krug da geschrieben habe, und von »verlogener Feierlichkeit«. Am Schluss las Bertrams: »Als Ergebnis dieser fast vierhundert Seiten ist die (durchaus zweifelhafte) Lokalisierung des Siegfried-Brunnens im heutigen Klärwerk eines Chemie-Konzerns zu wenig.« Er, Bertrams, verstand nichts von Literatur. In der Schule hatte man ihm das zwar anhand eines Buches von Jean-Paul Sartre zu erklären versucht, aber es war ihm abhandengekommen. Doch so viel begriff er: Dass dieser
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