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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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mal. Krug war nicht clever, seine Geschichten blieben im Archiv. Krug wusste, dass er unfähig war, sein Genie, an dem er durchaus nicht zweifelte, zu Geld zu machen. Krug sah sich als Antipode etwa des New Yorker Bauunternehmers Donald Trump, der sich mit einem Projekt namens Television City ein Denkmal setzen wollte. 8000   Luxuswohnungen für die reichsten Leute der Welt hatte Trump in seinem T.   C. geplant. Donald Trump hätte dann einen Riesenspiegel für seine Übermenschengröße. Er, Krug, fand bequem in einem Taschenspiegel Platz. Wie gut, dass er nicht angewiesen war auf gigantische Leistungen, auf spektakuläre Erfolge, auf Prominenz. Er, Krug, glaubte, dass er Nichterfolg für das Besondere halte. Trotzdem ärgerte er sich manchmal, dass er bislang nicht einmal etwas gewagt hatte. Doch was könnte er wagen? Ein skandalöses Hörspiel schreiben? Lächerlich, es käme über den Schreibtisch des Redakteurs nicht hinaus.
    Immerhin war Krug heute mit der Arbeit vorangekommen. Zwei Szenen seines neuen Hörspiels erschienen ihm brauchbar. Er musste achtgeben, dass ihm die Hauptfigur, der Kaiser von China, nicht zu emotional geriet. Er soll frivol sein und in den Dialogen Sieger. Krug fiel es schwer, das darzustellen, denn er war immer in Verlierer verliebt.
    Manchmal hielt Krug es kaum noch aus mit sich. Eines Tages hatte er, dem Rat seines Freundes, des Schriftstellers, folgend, beschlossen, sich komisch zu finden. Ärgere dich nicht, sondern finde dich komisch – hatte Wolfgang gesagt. Auf diese Weise kam Krug besser aus mit sich, wurde aber auch allzu nachsichtig. Vor allem, was seine Arbeitsenergie betraf,hatte Krug es bis zur Meisterschaft gebracht, sich immer wieder vor sich selbst zu entschuldigen, sich von einem Tag auf den anderen zu vertrösten. Schließlich rückte der Abgabetermin für sein Manuskript bedrohlich näher. Dabei hatte er sich so viel Zeit nehmen wollen für dieses Hörspiel. An dem Tag, als Dr.   Henschel Krug anrief und ihm den Zuschlag für den
Kaiser von China
gab, hatte Krug sich vorgenommen, diese Arbeit endlich einmal in Ruhe zu erledigen. Denn Dr.   Henschel, der Leiter der Hörspiel-Abteilung, war von Krugs Exposé eingenommen gewesen. »Krug«, hatte Henschel gesagt, »Krug, endlich mal kein Gesülze über die böse Gesellschaft, mal nicht über den bösen Boss, mal nichts über die böse Ehefrau abgelaicht! Kaiser von China, Gott sei Dank, Krug. Ein Hörspiel im alten Stil haben Sie mir versprochen, endlich. Dafür kriegen Sie auch 90   Sendeminuten, wenn Sie wollen. Und das Honorar bei Ablieferung, Krug, dafür sorge ich. Aber ich sehe es auch pünktlich zum 1.   Oktober, ich verlass mich drauf.«
    Krug wollte nicht nur diesen Termin halten, er wollte auch seinen
Kaiser von China
mit aller Sorgfalt schreiben. Seine zahlreichen Hörspiele, besonders aber
Issima und Issimo, Der schöne Plusquamperfekt, Störe mich, Liebe
und
Anhänger schert aus,
hatte er alle nahezu fahrlässig heruntergefetzt. Meist, wenn er mit Birke und den Kindern in Urlaub war. Jedes Manuskript hatte seine eigene Auf-die-letzte-Minute-Verdrängungsgeschichte. Birkes Augenrollen und Stöhnen, das Murren der Kinder. Immer musst du schreiben, sogar im Urlaub. Krug hatte es seiner Familie beigebracht, ihn in Ruhe zu lassen. Aber er ließ seinerseits seine Familie nicht in Ruhe. Belauerte ihrKommen und Gehen. Wollte Anteil haben und das dann lästig finden.
    Krugs Arbeitswut war immer dann am lebhaftesten, wenn er weiter entfernt war von seinem Schreibtisch. Oder wenn jemand zu Besuch kam. Krug sprach dann derart penetrant von den ihn bedrängenden Terminen, dass die Besucher sich entschuldigten und fortgingen. Birke und die Kinder mieden seinen Schreibtisch, und er saß schließlich allein da, blieb aber untätig, bis ihn wieder ein Familienmitglied störte und dadurch seinen Schreibwunsch heftig entfachte. Auf diese Weise konnte es geschehen, dass Krug sich wochenlang subjektiv am Schreiben gehindert fühlte und mit seinen Abgabeterminen in die größte Bedrängnis geriet. Spätabends ging er zerquält und unzufrieden mit sich zu Bett. Schon wieder ein Tag, an dem nichts geschafft war. Dann erwachte er oftmals aus Träumen, in denen er schlecht oder unvollständig angezogen bei offiziellen Anlässen zum Gespött wurde. In diesem Gefühl tiefer Scham vermochte Krug meist nicht mehr weiterzuschlafen. Wenigstens das hatte er zu akzeptieren gelernt. Mit schmerzendem Kopf und knurrendem Magen setzte Krug
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