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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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Wie sonst könnte Birke jetzt von ihm getrennt sein? Hier fand Krug die Bibel weise: Was Gott gebunden hat, das soll der Mensch nicht trennen. Er, Krug, hatte zwar auf Birkes Wunsch in die Scheidung eingewilligt, doch schon damals war er sich seiner Scheinheiligkeit bewusst gewesen. Als habe er vor zwei Jahren schon geahnt, wohin ihn die Trennung von Birke reißen würde. Er wusste erst heute, wie sehr er nicht einverstanden war. Warum hatte er sich nicht gesträubt? In einer guten Whisky-Strömung konnte er sich sogar vorstellen, dass Birke auf ein Sträuben seinerseits nur gewartet habe. Doch er, Krug, hatte nur die Schultern gehoben. Damals war das eine Geste. Heute schien es ihm fahrlässig. War der Lauf der Zeit seiner Ehe nicht bekommen? Wie lächerlich. Gerade er war kein Kind seiner Zeit, darauf konnte er sich nicht berufen.
     
    Er war dem Leben längst abhanden gekommen. Wenn er überhaupt je seiner habhaft gewesen war. Und ausgerechnet seine Frau wies ihm das heute nach. Krug hatte an einem Artikel mitgearbeitet über einen simulierten Super-GAU und die Evakuierung der Bevölkerung. Da Krug vor allen anderen seiner Frau gefallen wollte – er dachte manchmal, dass es ihm neben der Honorierung allein um ihre Anerkennung gehe   –, deshalb hatte Krug Birke in einem Telefonat gefragt, ob sie seinen Artikel, zufällig, gelesen habe. Ihre Antwort bekam Krug schlecht. Pessimistenzüchter nannte sie ihn, katastrophensüchtiger Störfallfanatiker.
    Krug wusste, dass seine Frau schon lange nicht mehr den Wunsch hatte, ihm zu gefallen. Sie war auf ihn, Krug, nicht mehr neugierig. Sie machte sich auch keinerlei Selbstvorwürfe wegen der Trennung, die nur er, wenn auch erst seit kurzem, als Katastrophe empfand. Obwohl Krug wusste, dass die Desillusionierung seiner Frau unwiderruflich war, traf ihn ihre frostige Kritik. Krug fühlte sich allein. Er konnte Birke vor sich sehen, ihren leeren, vernichtungsbereiten Blick. Ihr Mund hatte eine Spannung in den Mundwinkeln, die ganz und gar gegen Krug gerichtet war. Er war für Birke nur mehr ein unsympathischer Fremder, mit dem sie durch die Existenz zweier Kinder verbunden war.
    Krug hatte über diesen Gedanken wieder zu viel gegessen. Obwohl er sich immer schwor, das nächste Mal nicht so viel in sich hineinzustopfen. Krugs Mütter kochten ihm für das Wochenende vor, da sie meistens aufs Land fuhren. Mutter und Schwiegermutter lebten in Krugs Haus, sie waren das Rudiment seiner Ehe. Krug nahm an, dass die beiden das auch so sahen. Sie waren geblieben, als Birke mit den Kindern ausgezogen war. Die beiden Damen, deren Gefechte sich früher mit denen der Kinder ablösten, hatten sich nach Krugs Scheidung aneinandergeklammert wie Geschwister, denen plötzlich die Eltern verstorben sind. Obwohl beide Frauen Krug zuwider waren, jede auf eine andere Weise, obwohl sie einander mürrisch auswichen, sorgten sie vorbildlich für ihn. Dass sie abwechselnd kochten, machte Krugs Galle hin und wieder zu schaffen.
    Krug musste sich hinlegen. Nur im Liegen hatte er die Illusion, nicht dickbäuchig zu sein. Im Liegen undin seinem stillen Zimmer war Krug niemandem Rechenschaft schuldig. Hier musste er nicht erklären, warum er auch bei schönem Wetter oft nicht hinauswollte aus seinem Zimmer. Schon gar nicht am Wochenende, wenn alle draußen waren. Freizeitversager. Seit Birke ihn einschlägig kritisiert hatte, war es Krug ein Anliegen, ähnliche Wörter gegen sich selbst zu bilden. Er nannte sich Gewaltverzichtsschreier, Ausstiegsneurotiker, Hirnstromhavarist. Die Wochenendausgaben halfen ihm bei der Wortfindung. Wer heute nicht an morgen denkt, ist übermorgen schon von vorgestern. Der Verfasser musste Krug kennen. Der Slogan warb für Gehirne, die in Megabit-Chips eingebaut sind. Krug fand es durchaus interessant, dass so ein 6 4-Megabit -Chip 6400   Schreibmaschinenseiten für ihn vollschreiben könne. Trotzdem war es eine ihn beruhigende Vorstellung, dass wenigstens der 25 6-Megabit -Chip auch für den Hersteller noch Zukunftsmusik war. So konnte Krug sich Zeit lassen, bis er sich mit einem System beschäftigen musste, das ihm 25   600   Schreibmaschinenseiten füllen könnte.
    Die Elite wird immer sportlicher, las Krug. Vitale Ausstrahlung, den Dingen eine Richtung geben. Neue Lösungen. Heute, so schien es Krug, waren die Zeitungen wieder voll von ihn peinigenden Adjektiven und Adverbien. Die geschichtliche Aufgabe, die tiefe Einsicht, die eindeutige Erkenntnis. Krug las rigide
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