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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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Anweisungen: kraftvoll zupacken, nach vorne blicken, Kontinuität wahren, ganz bewusst deutsch sein, das Ziel anstreben, oben bleiben.
     
    Krug wusste nicht, ob er dem allen immer so abgeneigt gewesen war.
     
    Ein Düsenjäger schreckte ihn aus seinen Gedanken. Ein Moment der Angst. Es war, als hielte alles in Krugs Zimmer mit ihm den Atem an. Hoffentlich weckte der aggressive Lärm Sharon nicht auf. Sie ging am Samstagmorgen immer in die Synagoge und schlief dann bis in den Nachmittag. Sharon wohnte im Dachgeschoss, in der Maisonette, die vor Krugs Scheidung die beiden Mütter bewohnt hatten. Es waren vier hübsche Räume mit schrägen Wänden und einem Dachgarten. Sharon hatte sich beim ersten Besuch in die Wohnung verliebt und war ohne Zögern auf den Mietpreis eingegangen, der Krug Skrupel bereitete, ihn aber wirtschaftlich spürbar entlastete. Sharon steuerte auch zur Haushaltskasse bei, was sie Krugs Müttern noch verdächtiger machte.
    Andererseits war ihnen gar nicht daran gelegen, sich mit Sharon näher einzulassen, damit sich Sharon nicht näher mit ihnen einlasse. Sie behandelten das Mädchen wie ein rohes Ei und nahmen ihre Existenz im Übrigen auf wie anderes Ungewohnte und Bedrohliche ihrer späten Jahre. Man nimmt, was kommt und wie es kommt, hatte Krugs Mutter sich zu sagen angewöhnt. Eine Nachtclub-Tänzerin ist schließlich ein Mensch wie jeder andere. Beide Mütter hatten offenbar eine Überlebensstrategie entwickelt, die mit Totstellen zu tun hatte. Krug durchschaute seine Mütter noch nicht, war aber erleichtert, dass das Leben im Haus jetzt wenigstens an der Peripherie so sachte ablief.
    Er dachte an früher, als es allenthalben donnerte und blitzte. Die Türen schlugen und das Getrampel auf der Treppe nahm kein Ende. Das war jetzt vorbei. War deshalb alles vorbei? Krug spürte, wie die Stilleim Haus ihn in Panik versetzte. Krug musste mit Birke sprechen, sofort. Obwohl er sich davon dringend abriet, rief er bei ihr an. Seine Tochter Danda war am Telefon, doch Krug erkannte im Hintergrund Birkes Stimme, warm, katzenpfötig. Er hielt den Atem an und hörte, wie Birke gedämpft etwas zu Danda sagte. Du, erklärte ihm seine Tochter mit sicherer Stimme, du, die Mama kann jetzt nicht.
    In Momenten wie diesem wünschte Krug seiner Frau den Tod. Sie sollte tot sein, damit er, Krug, sich nicht mehr quälen musste.
    Er hasste sie. Doch war es ein Hass, der ihn süchtig nach ihr machte. Krug genoss es jetzt fast, dass Birke ihn zum Verzicht auf das Gespräch gezwungen hatte. Wenn seine Frau ihm nämlich eine Telefonaudienz gewährte, blieb er meist geschädigt zurück. Birkes Stimme klang gelangweilt, unbeteiligt. Also gut, wenn es denn sein muss, telefonieren wir eben. Wie sie ihm jedes Wort zerpflückte, mit Eselsohren versaute. Er, Krug, veränderte nichts an Birke, sie stellte Krug auf den Kopf, spielte mit ihm ihr Verweigerungsspiel. Er soll es büßen. Je einsilbiger Birkes Antworten wurden, umso mehr mühte sich Krug, sie zu einem Bekenntnis zu bringen. Du bist mein Herz, hörst du? Sie schwieg. Krug konnte sehen, wie ihre Mundwinkel sich verspannten, wie sie mit halbem Blick die Fernsehsendung aufzunehmen versuchte, die im Hintergrund zu hören war. Birke hatte Mühe, dort mitzukommen und trotzdem ihm, Krug, zuweilen eine Antwort zu geben. Er hörte es an ihrem Tonfall, wenn sie das Gespräch beenden wollte. Umso verzweifelter wollte Krug es dann weiterführen. Trotzdem lieferte er ihr den Grund für die endgültige Absage, indem ersich beklagte, dass sie zu jedem Penner auf der Straße höflicher sei als zu ihm. Krug kannte schon ihre Antwort: Du treibst mich in die Enge, ich hab keine Lust mehr, mit dir zu streiten. Und Krug legte auf, ihr zuliebe. Wenigstens wollte er Birke jeden Gefallen tun. Er wusste, dass sie für ihn unerreichbar war wie der Mond. Birke wollte sich rächen dafür, dass er, Krug, für kurze Zeit in ihrem Leben bestimmend gewesen war. Dass sie seine Frau gewesen war, sichtbar für alle. Sie brachte es nicht einmal fertig, Krug zu hassen. Warum versuchte er nur so verzweifelt, in ihrem Leben wieder eine Position zu finden? Es gab jüngere, attraktivere Frauen, die, wenn Krug einen guten Tag hatte, gern mit ihm ins Bett gingen. Nur nützte es Krug nichts. Auch nicht, wenn er sich vorzustellen suchte, wie oberflächlich Birke in Wahrheit doch sei. Wie wenig sie ihm, Krug, gegeben habe. In Krugs Augen war sie unfähig, überhaupt jemanden zu lieben. Obwohl sie warmherzig und
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