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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes
Autoren: Asta Scheib
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zugleich, hockte sie und hielt sich mit letzter Kraft an einem Ast. Mit ihrem winzigen Lächeln, das Krug ständig signalisierte, dass er an allem schuld sei, stieß Danda hervor: Tomm danz nell. Fassungslos über ihr Sprechen hätte Krug sie fast abstürzen lassen.
     
    Wenn Krug heute daran dachte, bildete er sich ein, dass er schon damals alle seine Niederlagen um Danda vorausgeahnt habe. Dabei konnte sie zärtlich sein. Obgleich diese stürmische Zärtlichkeit Krug nicht selten irritierte. Als Danda ihn zum ersten Mal pinkeln sah, war sie fasziniert und bestand von nun an darauf, jedes Mal dabei zu sein. So musste Krug sich in seinem eigenen Haus auf den Lokus schleichen, um Danda zu entgehen, die sich auch nicht mehr mit Zuschauen begnügte, sondern unbedingt den väterlichen Penis mit Toilettenpapier säubern wollte. Verwehrte Krug ihr das – und er tat das energischer, als er ihre sonstigen Unarten abwehrte   –, dann brüllte Danda, dass die Fenster klirrten. Für lange Zeit waren aus diesem Grund Besuche bei Freunden oder Essen in Restaurants nur dann keine Tragödien, wenn Krug vorher seine Blase geleert hatte. Als sie Danda einmal daheim ließen, hatte sie Krugs geliebte Schellackplattenim Wohnzimmer ausgebreitet, um darauf Schlittschuh zu laufen.
    Mauritz dagegen mochte gar nicht erst anfangen mit dem Laufen. Er war bereits siebzehn Monate alt und bewegte sich noch immer auf allen vieren. Dies allerdings mit schlangenartiger Eile. Als Krug Freunde mit gleichaltrigen Kindern besuchen wollte, ließ er sich die mangelnde Laufbereitschaft seines Sohnes nicht länger bieten. Er stellte den Kleinen an einem Heizkörper im Esszimmer auf, lehnte ihn dagegen und drohte dem Kind, dass die übrige Familie abreisen und ihn da stehen lassen würde, wenn er jetzt nicht sofort liefe. Wie eine aufgedrehte Puppe lief Mauritz durch die Räume, stumm, ohne auf das Freudengekreisch der übrigen Familie zu reagieren. Mauritz lebte, so sah es jedenfalls Krug heute, innerhalb der sich hin und wieder verändernden Krugschen Welt sein eigenes Leben. Als Neunjähriger nahm er an einem Malwettbewerb der Schule teil. Der hieß: Wie werde ich später meine Kinder erziehen? Mauritz malte einen dickbäuchigen Kühlschrank und einen Riesen-Fernseher. Darunter schrieb er: Meine Kinder dürfen immer an den Kühlschrank, und fernsehen dürfen sie, so viel sie wollen.
    Krugs Kampf gegen die Suggestion des Fernsehens war lächerlich. Arglos und gutgläubig, so dass es Krug wütend machte, saßen Danda und Mauritz vor dem Apparat. Kein Zweifel, sie glaubten an das künstliche Leben hinter dem Glas. Krug zog aus seinem schlechten Gewissen nicht die einzig mögliche Konsequenz, selber mit den Kindern zu spielen, ihnen beim Spielen das eigene Leben zu entdecken. Dazu hatte Krug keine Lust. Er musste oft vor sichselber zugeben, dass er seine Kinder aufrichtig liebte, wenn sie abends im Bett lagen. Wenn die Turbulenz des kindlichen Alltags ihn berührte, verschanzte sich Krug hinter Arbeit. Seine Kinder liebten Minigolf. Krug hasste es. Erst als Mauritz es sich zum Geburtstag wünschte, ging er mit, spielte lieblos die Löcher durch.
    Heute erschien es Krug manchmal, als habe seine Rolle als Vater vor allem darin bestanden, ständig neue Strategien gegen die Anwesenheit von Danda und Mauritz zu entwickeln.
    Krug dachte nicht gern an die Kindheit seiner Kinder. So ungern wie an seine eigene. Es machte ihn wütend, dass sich ständig alles wiederholte. Dass er, Krug, so war, wie er war. Krug wollte durchaus nicht so sein. Er sah um sich herum all die anderen, die ihm glichen. Überall sah Krug bemühte, egoistische Eltern, die alles besser wussten. Die ihre Kinder genau so verbiesterten, wie sie selbst von den Alten verbiestert worden waren. Nur anders. Modern.
    Natürlich war es Krug bewusst, dass die Zeit sich geändert hatte, noch niemals hatte sie sich so radikal verändert wie in den letzten vierzig Jahren. Krug verachtete Leute, die ihre Unzulänglichkeiten auf ihre Kindheit zurückführten. Sich selber nahm er davon natürlich aus. Er begegnete seinen Fehlern verständnisvoll. Sein größter Fehler, so glaubte Krug, war Bescheidenheit. Er war zu leise. Darum hörte man nicht auf ihn. Und Cleverness fehlte Krug. Meine Cleverle, sagte die Ressortchefin beim Süddeutschen Rundfunk, meine Cleverle schreiben einen neuen Vorspann für ihre Geschichte, die sie schon einem anderen Sender verkauft haben, und so kriegen sie dasvolle Honorar noch
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