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Diebin der Zeit

Diebin der Zeit

Titel: Diebin der Zeit
Autoren: Vampira VA
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nicht bei euren Gästen, wie es sich gehören würde? Weißt du nicht, was sich geziemt?«
    Diesmal ist ihre Stimme mit Sarkasmus getränkt.
    »Ich war müde«, lüge ich (oh, ich wußte, daß ich widerstehen kann, zu jeder Zeit - den geheimen Triumph lasse ich mir dennoch nicht anmerken).
    »Müde wovon?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Nein?«
    Dieses Nein schwebt eine Weile wie ein drohend erhobenes Henkersbeil über meinem Haupt, und ich schließe nicht aus, daß mein Betrug längst durchschaut ist. Trotzdem gebe ich mir keine Blöße.
    »Nein«, rinnt es lakonisch über meine Lippen.
    Danach muß ich ihr erzählen, woran ich mich erinnere. Aber obwohl sie mich kein einziges Mal unterbricht, kann man sie nicht als gute Zuhörerin bezeichnen (nicht mit Dianne vergleichen), dazu sind ihre Motive und Absichten nicht lauter genug.
    Jedenfalls glaube ich das.
    Ich verschweige ihr dasselbe, was ich auch schon Cees vorenthielt. So erfährt sie nichts über meine Gefangenschaft, nichts über die Taten, die mich in den Kerker brachten - und am wenigsten von meinem Befreier, dessen Identität mir ohnedies mehr und mehr entrückt ist. Ich fürchte, ich könnte ihn nicht einmal beschreiben, wenn ich wollte. Er ist wie ein Traumgespinst verblaßt .
    Nachdem ich erzählt habe, was ich ihr zu wissen zubillige, ist es zunächst still im Raum.
    Unaufhörlich spüre ich die Kraft, die von der Besucherin ausstrahlt, die mich aber nicht mit der beabsichtigten Wucht erreicht. Dennoch bin ich versucht, mich ihr zu offenbaren. Vielleicht besitzt sie die Antworten, nach denen ich bislang vergeblich suchte. Vielleicht könnte sie mir bei der Suche nach meiner Identität helfen .
    Doch wieder obsiegt mein Mißtrauen. Mein Gefühl für Gefahr.
    In diesem Augenblick sagt mein ungebetener Gast: »Etwas so Hübsches wie du sollte als Dekoration bei unserem Schmaus nicht fehlen. Komm! Folge mir! Ich führe dich zu meinen Schwestern!«
    Nach diesen Worten greift sie meine Hand. Trotz der Dunkelheit muß sie nicht erst tasten, sondern findet sie zielsicher.
    Ich erhebe mich.
    Der Duft, der diese Frau begleitet, ist herber als alles, was meine Nase je gerochen hat, beinahe maskulin. Aber irgendwie harmoniert es mit der schwelenden Kraft, die unter der schlanken, geschmeidigen Figur schlummert, mit der Stimme, hinter der bei jedem leisen Satz ein wilder Schrei darauf zu lauern scheint, ausbrechen zu dürfen, und auch mit dem Druck, den sie durch ihren bloßen Willen erzeugt!
    Ich frage mich, was geschehen würde, wenn ich sie herausforderte. Wenn ich an ihr erproben würde, was ich schon manchem Manne ohne Mühe antat.
    Was würde geschehen, wenn ich versuchte, ihre Zeit zu stehlen, ihre kommenden Jahre, die durch meine Gier unwiederbringlich verloren wären .?
    Noch übe ich Geduld und bleibe abwartend. Und so erreichen wir den Salon, in dem sich alle versammelt haben: Camille, Dianne, die anderen - wie man unsere Zunft jenseits dieser Mauern herabwürdigend heißt - »gemeinen Töchter« und die Gäste.
    Meine Augen sind nun offen.
    Die Stimmung hier ist ausgelassener, als ich sie je seit meiner Zugehörigkeit zu diesem Milieu erlebt habe. Doch frage ich mich, wer all die fremden Frauen sind, die sich mit dem Mannsvolk vergnügen. Diejenigen, die dies normalerweise zu tun hätten, sitzen oder stehen herum wie reine Staffage (Dekoration nannte es die Frau an meiner Seite).
    Auch ich werde irgendwo abgestellt und dort Zeugin von Greueltaten, wie selbst ich sie kaum für möglich gehalten hätte!
    Bizarr, wenn einem Monster vor Monstern graut .
    *
    Hier und jetzt lerne ich die Mächtigsten der Mächtigen kennen - einige von ihnen.
    Sie sitzen auf den Knien wohlhabender Herren oder lassen diese auf ihren Schößen Platz nehmen. Auf den ersten Blick mag es sogar scheinen, als trieben sie nur allerlei Schabernack, als küßten und kosten sie einander.
    In Wahrheit aber .
    . hängen diese fremden Frauen - eine jede so unnahbar wie die, die mich besuchte - durstigen Blutegeln gleich an den Kehlen des Mannsvolks!
    Von überall her dringt obszönes Schmatzen, und es dauert eine Weile, bis ich begreife, warum sich die Herren gefallen lassen, was mit ihnen geschieht: Sie stehen völlig im Bann der Gestalten, die ich nie zuvor hier sah!
    Tiefe Hypnose verhindert, daß sie begreifen, wie sich an ihnen vergangen wird - und auch in den Augen derer, die, wie ich, sonst zur Verfügung stehen, um sich für klingende Münze beschlafen zu lassen, lese ich Blindheit
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